: „Ich hab voll in die Scheiße gepackt“
■ Wenn heute Nürnberg spielt, fehlt der fristlos gekündigte Hermann Gerland (35) / Die Zeit beim „Club“ beschreibt er als schmieriges Ränkespiel eines Präsidialfürsten und der Lokalpresse
taz: Herr Gerland, hatten Sie keine Lust mehr, die restlichen Spieltage als Bundesligatrainer zu verbringen?
Hermann Gerland: Doch, ich hatte sogar große Lust.
Auch in Nürnberg?
Die Frage versteh ich nicht.
Am Montag kommt der 'Spiegel‘ heraus mit einem Gerland -Interview und am Nachmittag sind Sie fristlos entlassen. Haben Sie das nicht erwartet?
Nein, höchstens, daß ich eine Abmahnung kriegen würde. Ich hab dem 'Spiegel‘ gesagt, daß ich hier weiterarbeiten will.
Sie haben auch gesagt, Präsident Schmelzer solle seine Glatze zurückziehen, statt permanent Fernsehauftritte zu inszenieren, und einige Spieler hätten Probleme bei Torschußübungen und könnten nicht mal richtig laufen.
Wenn ich mit einem Fußballer rede und von laufen spreche, dann meine ich nicht, daß der behindert ist und nicht geradeaus laufen kann. Ich meine Taktik, wie ich mich löse, wie ich ein Seite frei mache. Das sind allgemeine Probleme der Bundesliga, daß Spieler schlecht ausgebildet sind. Nur damit das richtig verstanden wird. Das mit der Glatze und Fernsehen, das hab ich gesagt.
Herr Schmelzer ist zu eitel?
Statt Glatze hätte ich Gesicht sagen können. Die Sache ist doch, daß der Präsident Entscheidungen alleine trifft, und wenn sie nicht gut sind, andere mit reinzieht. Zuerst sagt er, er hat den Kasalo alleine geholt, und später, der Gerland wollte den Kasalo haben. Da hab ich gesagt: „Paß mal auf.“
Intern?
Hier geht nichts intern. Wir haben zwei Zeitungen, die 'Nürnberger Nachrichten‘ und die 'AZ‘, wobei der Reporter der 'AZ‘ gleichzeitig bei der „Club„-Zeitschrift ist. Als ich hierher gewechselt bin und die Pressesituation ansprach, hat mir der Schmelzer gesagt, der Haala von der 'AZ‘ schreibt das, was wir haben wollen. Und der Pilous, der kommt ab und zu aus der Kiste raus, aber der kriegt von mir jeden Morgen um halbacht den Beruhigungsanruf, und dann spurt der wieder.
Schön für Sie.
Überhaupt nicht, nachher haben die sogar einen Bekannten erfunden, dem ich gesagt haben soll, ich halte den Streß seelisch und körperlich nicht mehr aus. Dann hat der Haala von mir 'ne Gegendarstellung gekriegt. Am nächsten Tag gewinnen wir gegen Homburg, und alle schreien „Schmelzer raus“. Schmelzer auf dem Sportplatz mit sechs Leibwächtern, das müssen Sie sich mal vorstellen, mit sechs Leibwächtern geht der zum Stadion. Und am nächsten Tag steht in der Zeitung, ich hätte die Fans gegen den Präsidenten aufgehetzt.
Das Publikum schätzt Sie?
Hab ich den besten Sturm der Liga, Andersen und Eckstein, nach Frankfurt verjagt, hab ich die Spieler nach München oder Köln verkauft? Mein Auftrag für die Saison waren 30 Punkte.
Also: Plansoll fast erreicht.
Klar, wir haben 26 und noch sieben Spiele, davon vier daheim.
Was, glauben Sie denn, war Ursache für die schnelle Reaktion, die Glatze von Herrn Schmelzer...
... Mit der Glatze hat das nichts zu tun. Sondern die beiden Journalisten haben das so vorbereitet, daß es bei geeigneter Lage einfach funken mußte. Die haben täglich verlangt, mich rauszuschmeißen, der konnte nicht anders.
So, wie sie das Klima in Nürnberg schildern, war es da nicht naiv zu glauben, Sie könnten dieses Interview als Trainer überleben.
Ich hab geglaubt, er bestellt mich und sagt, so geht's nicht weiter. Aber 'ne fristlose Kündgung, nur weil ich meine Meinung gesagt habe, und er schiebt mir permanent in jedem Interview den schwarzen Peter zu? Auch ein Gerd Schmelzer muß einstecken können. Die Fans stehen hinter mir, das Spiel heute wird schwer für den Präsidenten.
Es klingt viel Frust durch, heißt Ihre Konsequenz: Nie wieder erste Liga?
Um Himmelswillen, ich hab halt hier in Nürnberg voll in die Scheiße gepackt. Und ich hab zu lange zugeschaut.
Halten Sie das für ein Nürberger Spezifikum?
In Bochum war ich 19 Jahre, da war alles o.k. So wie hier, ob das normal ist?, ich will's nicht glauben. In so einer Form bin ich auch für ne Stange Geld nicht bereit. Und ich bin keiner, der sagt, mich trifft das nicht.
Wann fingen die, wie sie sagen, „schmelzerhörigen Schreiber“ an, Sie aufs Korn zu nehmen?
Das kann ich Ihnen genau sagen: vier Spieltage vor Serienschluß. Da war ich innerhalb von 14 Tagen dreimal entlassen laut Zeitungen, der Trainer sollte kommen und jener, bis ich gesagt habe: Nun halt endlich den Rand oder schmeiß mich raus. Dann war's ruhig. Wahrscheinlich hat man gehofft aufgrund unseres schweren Auftaktprogramms, daß nach 1:7 Punkten sowieso alles klar ist, dann wär ich von alleine gegangen. Aber wir haben super Spiele gemacht.
Alles prima also?
Wir haben das Masters-Finale erreicht. Vorher wollte der Club immer teilnehmen, auf einmal sagt Gerd Schmelzer: das bringt kein Geld. Wenn die 200.000 Mark nichts sind, hätte er das gleich sagen können, dann wär ich mit meiner Familie nach Gran Canaria geflogen.
Können Sie sich auf diese Stimmung hier einen Reim machen?
Nein, ich hab auch den Schmelzer gefragt: Was hab ich denn diesen Journalisten getan? Mein Kontakt mit Schmelzer war ja zuletzt besser, da erwarte ich doch, daß der seine Leute zurückzieht, daß die ein bißchen ruhiger schreiben.
Was nicht passiert ist?
Nein, der ist sogar zitiert worden und hat gesagt, das wäre nicht von ihm, aber eine Gegendarstellung hat er auch nicht gemacht. Da steht, Gerd Schmelzer, Doppelpunkt, Anführungszeichen, da kann ich mir doch raussuchen, wer da nicht die Wahrheit sagt.
Jetzt werden Sie Jugendtrainer bei Bayern München. Reizt Sie da mehr der Job oder die Ruhe vor der Öffentlichkeit.
Ohne Journalisten kann ich sehr, sehr gut leben. Ich hab Fähigkeiten auf dem Gebiet der Ausbildung, und damit möchte ich in Ruhe und Zufriedenheit alt werden.
Läßt sich denn heutzutage im Jugendbereich ohne Druck arbeiten?
Was heißt Druck. Wenn ich da in drei Jahren keinen Spieler dem Profikader zuführe, werden die sagen, lieber Hermann, such dir 'nen neuen Verein.
Heute abend spielt Nürnberg gegen den HSV, was macht da Hermann Gerland?
Der fährt in den Pott zu seinen Pferden und freut sich an der Natur und den Fohlen.
Schnauze voll vom Stadion?
Ach was, ohne Bundesliga kann ich nicht leben.
Interview: Herr Thömmes
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