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„Ich gehe als Sieger“

Günter Rexrodt: Die PDS muss endlich in der Bundesrepublik ankommen. Berlin kann darauf aber nicht warten

taz: Unter Ihrer Führung ist die FDP ins Abgeordnetenhaus zurückgekehrt. Heute legen Sie den Fraktionsvorsitz nieder. Gehen Sie als Sieger oder als Gescheiterter?

Günter Rexrodt: Ich gehe nicht, sondern bleibe als Landesvorsitzender und werde mich in diesem Amt auch um meine Wiederwahl bewerben. Zur Frage Sieger oder Gescheiterter: 9,9 Prozent der Wählerstimmen, unserer bestes Wahlergebnis seit dem Jahre 1954, legen wohl eher die Siegerpose nahe.

Aber Ihr eigentliches Wahlziel, Rot-Rot zu verhindern, haben Sie trotzdem verfehlt.

Das ist bedauerlich, aber das gebe ich bei Herrn Strieder ab, dem Verhandlungsführer der SPD. Mit einer Ampelkoalition wäre ein Senat ohne PDS möglich gewesen, hätte man ihn nur wirklich gewollt.

Der Wahlkampf war stark auf Sie zugeschnitten. Nun sitzten 15 FDPler im Abgeordnetenhaus, die niemand kennt.

Ja, da bleibt noch einiges zu tun. Die Kollegen in der Fraktion müssen die Zeit nutzen, um sich sachlich und persönlich durch gute Oppositionsarbeit in Berlin bekannt zu machen.

Wer soll Fraktionschef werden?

Der Beste.

Sieht so aus, als ob die Fraktion den zwar bekannten, aber linksliberalen Martin Matz nicht für den Besten hält.

Namen kommentiere ich nicht. Die Entscheidung, die heute Abend fällt, ist keine Richtungsentscheidung. Der neue Vorsitzende muss die Fraktion nach innen zusammenhalten und die Arbeit organisieren. Er muss für die FDP Resonanz erzeugen in der Stadt.

Welche Aufgabe hat die FDP in Berlin, wenn sie nicht für Mehrheiten jenseits der PDS gebraucht wird?

In Berlin gilt: Wir müssen unser Profil herausarbeiten. Unsere Kompetenz liegt jetzt schon in der Wirtschaftspolitik. Dazu muss noch stärker als bisher Kompetenz in der Wissenschafts- und Bildungspolitik treten.

Die Wirtschaftskompetenz will Ihnen jetzt ausgerechnet Gregor Gysi von der PDS als Wirtschaftssenator streitig machen?

In Zukunft wird Gysi nicht mehr an seinen Talkshow-Sprüchen gemessen. Die Zeit ist vorbei! Gysi windet sich bisher um jede fixierende Aussage herum, so kann man nicht Wirtschaftspolitik machen.

Muss Berlin wirklich Angst vor Rot-Rot haben?

Das Bündnis von SPD und PDS ist ein Experiment, aber auch ein Schock für die Menschen im Westen und viele Menschen im Osten. Ich hoffe, es ist ein heilsamer Schock. Die PDS muss endlich in der Bundesrepublik ankommen oder sie gehört – zumindest in der deutschen Hauptstadt – nicht an die Schalthebel der Macht.

Sie billigen der PDS Entwicklungsmöglichkeiten zu?

Wir haben eine offene und starke Gesellschaft, die am Ende die PDS stärker beeinflusst, als unsere Gesellschaft von der PDS beeinflusst wird. Aber wir brauchen jetzt Lösungen! Berlin hat keine Zeit zu warten, bis die PDS in der Bundesrepublik angekommen ist.

INTERVIEW: ROBIN ALEXANDER

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