: „Ich bin die Lindenstraße“
Putzfrau Else Kling protestierte gestern am Roten Rathaus gegen die Umbenennung der Linden- in Axel-Springer-Straße. Diepgen kniff ■ Von Torsten Teichmann
Mit so einer Begrüßung hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen nach seinem staatsmännischen Ausflug nach Paris sicher nicht gerechnet.
Else Kling alias Annemarie Wendl aus der TV-Serie „Lindenstraße“ demonstrierte gestern vor Diepgens Amtssitz im Roten Rathaus gegen die Umbenennung des nördlichen Teils der Lindenstraße in Axel-Springer-Straße.
Ein grüngepunktetes Kopftuch bedeckte ihr schlohweißes Haar. Mit brauner Wickelschürze, rotem Lippenstift, einem weißen Berliner Bären mit Goldkrone im Arm und einem Transparent in der Hand posierte sie für die Fotografen. Und auf Kommando der Journalisten fing sie an zu schimpfen: „Ich bin die Lindenstraße“, man müsse sie erst einmal fragen, ehe man einen Straßennamen ändere. „Axel- Springer-Straße weg – Lindenstraße her“, so der knackige Schlachtruf der rüstigen Putzfrau aus der ARD-Endlosserie.
So schimpfend blieb sie auf dem Platz vor dem Rathaus nicht lange unbemerkt. Eine 12. Klasse aus einer Fachoberschule in Osnahbrück bestürmte den Serienstar mit Autogrammwünschen – persönliche Widmungen für die Großmutter oder die Freundin. Da gab es auch für Journalisten kein Halten mehr und Else Klings Protest gegen die Umbennenung trat für einen Moment in den Hintergrund. Nur der Regierende kam nicht aus seinem Haus.
Des Wartens überdrüssig, entschied die Klingsche spontan, den Regierenden im Rathaus zu suchen. Das Empfangspersonal war schnell ausgetrickst, die 38 Stufen zum ersten Stock im Troß der Journalisten und Fotografen schnell genommen.
Aber vor dem Gang zu seinem Dienstzimmer war dann erst mal Schluß. Diepgen hatte keine Zeit oder auch keine Lust und schickte seinen Sprecher Andreas Butz an die Protestfront.
Butz schloß eine Rückbenennung aus. So blieb der Prominenz aus München nur noch die Verhandlung über Wiedergutmachung. Der Senat solle die Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umbenennen. Eine Kreuzung mit dem Namen Axel-Springer/Rudi- Dutschke-Straße lehnte Butz ab. Man einigte sich schließlich auf eine spätere gemeinsame Aktion des Ensembles der „Lindenstraße“, der Jugendsenatorin und Diepgens, um den Bestand des Jugendzentrums zu garantieren.
Beim Grübeln über so viel Konsens fragt sich der geneigte ostdeutsche Leser, warum es nie eine Fernsehserie mit den Namen „Zetkinstraße“ gegeben hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen