: IWF und Weltbank im Kreuzfeuer
Kritiker von IWF- und Weltbankpolitik kommen in zahlreichen Gegenveranstaltungen zu Wort ■ Aus Berlin Kurt Zausel
Man darf sich auf einen heißen Herbst einrichten. Im Umfeld der am 27. September offiziell beginnenden Jahrestagung der beiden Washingtoner Institutionen, die unter extremen Sicherheitsvorkehrungen im Internationalen Congress Centrum (ICC) durchgeführt wird, sind eine Vielzahl von Gegenveranstaltungen und Aktionen geplant, die allesamt die Politik von IWF und Weltbank in der Dritten Welt zum Gegenstand haben werden. Nicht nur die Jahresversammlung von IWF und Weltbank wird einen neuen bundesdeutschen Rekord, was Großtagungen anbelangt, darstellen. Auch das geballte Bündel an Gegenveranstaltungen sucht seinesgleichen in der bundesdeutschen Oppositionskultur - zumindest was internationalistische Themen anbelangt.
Nicht alle Blütenträume der Kritiker dürften allerdings reifen. So dürfte etwa die nach langem Hickhack zwischen den Trägern für den 25. September geplante zentrale Großdemonstration kaum vor der „Stätte der Übeltäter“ enden
-der Berliner Senat ließ bereits wissen, daß das ICC durch eine sogenannte „Bannmeile“ abgeschirmt wird. Noch düsterer dürfte es um die Umsetzung der von den „Westberliner Autonomen Gruppen“ ausgegebene Parole „Verhindert den Kongreß“ stehen. Das Rekordaufgebot von Polizei und Sicherheitskräften wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für die Abwicklung des Geld-Spektakels sorgen. Für die rechtlichen Vorkehrungen hat der Bundesgerichtshof über den Paragraphen 111 bekanntermaßen bereits gesorgt. Dazu kommt, daß diese Maximal-Parole von dem breiten Spektrum der Kritiker nicht mitgetragen wird. Hier hat man sich für eine politische Auseinandersetzung mit der Politik von IWF und Weltbank entschieden, die mit (verbalen) Argumenten ausgetragen werden soll. Keine der Organisationen und Gruppen dürfte dabei der Illusion nachhängen, daß mit noch so überzeugenden Argumenten sich an der aktuellen Politik von IWF und Weltbank etwas ändern wird. Tatsächlich dürfte es auch um etwas anderes gehen: In der Exportnation Nr. Eins Bewußtsein über die entwicklungsblockierenden Strukturen der kapitalistischen Weltwirtschaft zu schaffen und Handlungsanstöße für die Veränderung von Produktions- und Konsumnormen in Gang zu bringen. Dieses Ziel setzt Informationen und Interpretationen über die Situation der Länder der Dritten Welt und die Rolle der entwickelten kapitalistischen Nationen in der Weltwirtschaft voraus. Die breite Reihe von Gegenveranstaltungen bietet dafür Gelegenheiten.
Den Beginn macht ein Ökumenisches Hearing zum Internationalen Finanzsystem und der Verantwortung der Kirchen, das vom 21. bis zum 24. August durchgeführt wird. Unter der Moderation des ehemaligen UNCTAD-Generalsekretärs Jan Pronk wird eine international zusammengesetzte Hearing -Gruppe Verantwortliche aus den Bereichen des nationalen und internationalen Kreditgewerbes sowie Politiker aus Gläubiger - und Schuldnerländern über die Ursachen und Verantwortlichkeiten der Schuldenkrise befragen. Vertreter aus Brasilien, den Philippinen, Sambia und Jugoslawien sollen über die konkreten Auswirkungen der Schuldenkrise und der Programme von IWF und Weltbank berichten. Darüberhinaus werden Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten erörtert.
Die intensive Phase der Gegenveranstaltungen setzt am 19. September ein. Den Beginn macht eine vom Berliner DGB veranstaltete Tagung, auf der GewerkschafterInnen aus Südafrika, der Türkei und weiteren verschuldeten Länder zu Wort kommen und die Spielräume für gewerkschaftliche Solidarität ausgelotet werden sollen. Die Stiftung Umverteilen für eine Solidarische Welt führt am gleichen Tag im Rahmen ihrer Afrika-Reihe eine Veranstaltung mit südafrikanischen Gewerkschafterinnen, in der über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen im Apartheidsstaat informiert werden soll. Besonderes Augenmerk soll hier auf die Politik der deutschen Großbanken gelegt werden, die hohe Kredite an das Rassistenregime vergeben haben und maßgeblich an dem unter IWF-Regie durchgeführten Umschuldungsabkommen beteiligt sind.
Die Stiftung Entwicklung und Frieden, die von Politikern der etablierten Parteien und Wissenschaftlern getragen wird, plant für den 21. September ein Symposium zur „Kontroverse um die Weltfinanzen“, bei dem Vertreter von IWF und Weltbank sowie Politiker befragt werden sollen. Pro- und Kontra -Positionen sollen sich personell die Waage halten. Von etwas kritischerem Kaliber dürfte die von etwa 20 Organisationen und Parteien getragene Gegenkonferenz sein, die ihre Kritik am 23. und 24. September zu Gehör bringen wird. In insgesamt neun Foren soll unter Beteiligung einer großen Zahl von Vertretern der Länder der Dritten Welt diskutiert werden, ob IWF und Weltbank reformierbar sind, welche Entschuldungsmodelle unter den gegenwärtigen internationalen Kräfteverhältnissen durchgesetzt werden können und wie eine zukünftige Weltwirtschaft gestaltet sein müßte, um den Ländern der Peripherie bessere Entwicklungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Bereits am 22. September beginnt eine vom Deutschen Naturschutzring, dem Bund für Umwelt- und Naturschutz und dem Europäischen Umweltschutzbüro sowie verschiedenen Umweltschutzorganisationen aus allen Teilen der Welt veranstaltete Tagung, auf der über die ökologischen Folgewirkungen der Weltbank diskutiert werden wird. Auch diese Veranstaltung zeichnet sich durch die Teilnahme einer großen Zahl von Betroffenen und Experten aus, die eine kenntnisreiche Kritik der Weltbankpolitik erwarten lassen.
Das in der Nachfolge des berühmten Russell-Tribunals stehende Permanente Tribunal der Völker wird vom 26. bis 29. September IWF und Weltbank auf die Anklagebank bringen. In Form einer Gerichtsverhandlung mit Anklägern, Opfern, Staatsanwaltschaft und Verteidigung soll den beiden Organisationen der Prozeß gemacht werden. Eine international zusammengesetzte Jury wird ein Urteil fällen, mit dem die verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen aus allen Teilen der Welt zukünftig politisch arbeiten können. Trotz mehrerer Versuche konnten sich bislang weder IWF noch Weltbank dazu durchringen, ihre Politik vor diesem Tribunal selbst zu verteidigen. Der vielgerühmte Dialog hat Grenzen.
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