: IRA–Einheit geriet bei Anschlag in Hinterhalt
■ Bei einem Anschlag der IRA auf ein nordirisches Polizeirevier erschossen Armee und Polizei acht IRA–Mitglieder / Prominenter IRA–Führer Jim Lynagh ist unter den Toten / Vermutlich war seit Wochen bekannt, daß die IRA den Überfall plante / IRA–Waffenlager entdeckt
Aus Loughgall Ralf Sotscheck
Nach einem fehlgeschlagenen Bombenanschlag auf das Polizeirevier in dem nordirischen Dorf Loughgall sind am Freitag abend acht Mitglieder der Irisch–Republikanischen Armee (IRA) von britischer Armee und nordirischer Polizei (RUC) getötet worden, darunter der führende IRA–Mann, Jim Lynagh. Ein unbeteiligter Autofahrer starb im Kugelhagel der „Sicherheitskräfte“. Am Freitag um 19.30 Uhr versuchten mehrere IRA–Männer, mit einem Bagger, in dessen Schaufel eine Bombe plaziert war, den Zaun des Polizeireviers in dem protestantischen Dorf mit 250 Einwohnern im Süden der britischen Provinz zu durchbrechen. Gleichzeitig nahmen andere IRA– Leute das Polizeirevier aus einem Begleitfahrzeug unter Beschuß. Die RUC erwiderte das Feuer sofort. Nach etwa zehnminütigem Schußwechsel explodierte die Bombe im Bagger und zerstörte das Dach des Polizeireviers. Mindestens einem IRA–Mann gelang es zu entkommen. Er berichtete später, daß die meisten IRA–Leute erst nach ihrer Verhaftung oder auf der Flucht erschossen worden sind. Diese Angaben werden von Augenzeugen bestätigt. Die Ereignisse deuten darauf hin, daß die RUC über den geplanten Anschlag vorher informiert war. Die irische Zeitung Sunday Independend behauptete gestern, die Polizei habe bereits vor sechs Wochen einen Tip bekommen und die Mitglieder der IRA–Einheit daraufhin ständig beobachtete. wenige Minuten nach Beginn der Schießerei war die gesamte Umgebung abgesperrt, Hubschrauber kreisten über dem Dorf, und ein starkes Aufgebot von Polizei und Militär beherrschte die Szene. Anwohner berichteten, daß das Polizeirevier, in dem normalerweise sechs Polizisten stationiert sind, schon zwei Tage vorher geräumt worden war. Gerüchten zufolge soll die IRA–Brigade aus Ost–Tyrone (Grafschaft in Nordirland) seit mehreren Jahren einen britischen Agenten in ihren Reihen haben. Seit 1983 gelang es den „Sicherheitskräften“ immer wieder, Mitglieder dieser Brigade auf frischer Tat zu verhaften oder zu töten. Die IRA hat - außer in Tyrone - ihre Pläne und Waffenverstecke bisher weitgehend geheimhalten können. Noch am Samstag morgen war Loughgall von Armee und RUC abgesperrt. Auf Fragen nach einer Beteiligung der britischen Undercover–Elitetruppe SAS an der Aktion verweigerte ein Armeespre cher die Auskunft. Nach dem IRA– Mord an Richter Gibson und seiner Frau vor vierzehn Tagen hatte Nordirlandminister King am Mittwoch im britischen Unterhaus angekündigt, die SAS–Präsenz in Nordirland zu verstärken. Der SAS ist bereits seit 1971 in Nordirland aktiv und besonders zu Beginn der achtziger Jahre ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil er die Politik verfolgte, der IRA–Mitgliedschaft verdächtige Personen sofort zu erschießen. Die Hinterhalt in Loughgall trug deutlich die Handschrift des SAS. Während Sinn Fein–Präsident Gerry Adams in Belfast den Familien der Getöteten sein Beileid aussprach, zeigten viele Bewohner des protestantischen Dorfes Loughgall unverhohlen ihre Freude über die Ereignisse, die zu den schwersten Verlusten der IRA seit Beginn des Konfliktes im Jahr 1969 führten. Am Samstag abend wurde im katholischen Viertel Falls Road im Westen von Belfast ein umfangreiches Waffenversteck der IRA ausgehoben. Zahlreiche Gewehre und Sprengstoff wurden gefunden. Mehrere Personen seien bei der Durchsuchung festgenommen worden.
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