INDONESIENS PRÄSIDENT STÜRZT – DOCH DIE PROBLEME BLEIBEN: Megawati ist keine Alternative
Das viertbevölkerungsreichste Land der Welt versinkt noch weiter im Chaos. Noch gestern wollte das indonesische Parlament beschließen, den diskreditierten Präsidenten Abdurrahman Wahid seines Amtes zu entheben und zu diesem Zweck die Erweiterte Volksversammlung (MPR) einzuberufen – offiziell werden Wahid zwei Korruptionsaffären vorgeworfen, in Wahrheit aber sein unberechenbarer Regierungsstil.
Wahid hat zwei parlamentarische Rügen ausgesessen und in seiner 19-monatigen Amtszeit fast alle Verbündeten verprellt. Ironischerweise war er nur an die Macht gekommen, weil seine Stellvertreterin und wahrscheinliche Nachfolgerin Megawati Sukarnoputri damals nicht fähig war, aktiv auf potenzielle Koalitionspartner zuzugehen und sich selbst eine parlamentarische Mehrheit zu schaffen. Islamistische Hitzköpfe, die eine Frau als Präsidentin verhindern wollten, bevorzugten zudem Wahid. Der verfügte über weit weniger eigene Leute im Parlament als Megawati, versprach aber dafür größere Integrationskraft.
Indonesiens Probleme sind gigantisch; ihre Lösung setzt einen breiten gesellschaftlichen Konsens voraus. Der kann nicht mehr wie zu Zeiten der Suharto-Diktatur gewaltsam erzwungen werden, sondern muss heute mit Kompromissen errungen und aktiv gestaltet werden. Dabei hat der einst von allen respektierte Wahid versagt.
Doch seine wahrscheinliche Nachfolgerin Megawati ist leider keine Erfolg versprechende Alternative. Schon als Vizepräsidentin hat sie keine Lösungen für die Probleme des Landes vorgeschlagen. Die Tochter des ersten Präsidenten des Landes, von dessen verklärtem Glanz sie profitiert, zeichnet sich vor allem durch beharrliches Schweigen und gelegentliche Andeutungen aus. Diese ermöglichen es einer um ihre Hoffnungen betrogenen Bevölkerung zwar, das jeweils Gewünschte hineinzuinterpretieren. Letztlich gibt Megawati aber mehr Rätsel auf, als sie bisher an Konzepten angeboten hat. Beide, Wahid wie Megawati, haben die Demokratisierung Indonesiens nicht vorangetrieben, sondern ihr geschadet. SVEN HANSEN
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