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IG Farben gedeiht weiter

■ Der Konzern, dessen Auflösung nach 1945 wegen Kriegsverbrechen beschlossen wurde, lebt als „Liquidationsgesellschaft“

Heute abend läuft der zweite Teil der ARD–Fernsehserie „Väter und Söhne“. Es geht um den IG–Farben–Konzern, der wegen seiner Rolle im Faschismus nach dem Krieg eigentlich aufgelöst werden sollte. Die „IG Farben in Liquidation“ existiert jedoch immer noch, und dank klugen Managements gedeiht das Unternehmen recht ansehnlich - zugunsten seiner Anteilseigner.(d. Red.).

Eigentlich müßte er längst verschwunden sein. Im Sommer 45 wurde er zerschlagen und dem alliierten Kontrollrat unterstellt. Am 1.1.1952 wurde seine Liquidation beschlossen. Sein Vermögen wurde in drei Erben aufgeteilt. Von ihm blieb die darbende Hülle. Die Öffentlichkeit hat ihn weitgehend vergessen. Aber das Überbleibsel des einstigen Kriegsverbrecherkonzerns, die Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG (IG Farben), wehrt sich mit vereinten Kräften munterer denn je gegen seinen endgültigen Untergang - seit nunmehr 34 Jahren. „Ich sehe meinen Job hier noch lange nicht als beendet an“, gibt sich Günther Vollmann, hauptberuflich Liquidator der IG Farben in Auflösung, in einer Capital–Reportage über die Liquidation der IG Farben recht zuversichtlich. Im Rahmen der alliierten Dekartellisierungs– und Entflechtungsmaß nahmen wurde die Interessengemeinschaft Farben, mit unter anderen den Firmen Bayer, Hoechst und BASF, in die drei Gesellschaften Bayer, Hoechst und BASF aufgeteilt. Von den IG Farben ließ man den Firmennamen und ein dubioses Restvermögen bestehen. Die Auflösung der Farben war in zehn Raten geplant. Die „Ansprüche 1 - 4“, aus denen die Nachfolge–Gesellschaften befriedigt wurden, waren schon 1964 erledigt. Seither steht der künftige Auflösungsüberschuß, den die IG Farben in Liquidation (IGF i.L.) immer noch erwirtschaftet, ausschließlich den Inhabern der Liquidationsanteilscheinen (gleich Farben–Aktionären) zu. Anlagespezialist Vollmann und Kompagnon Bartels, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die inzwischen dritte Abwicklungsgeneration, wirtschafteten derweil recht ordentlich mit dem IGF i.L.–Vermögen, anstatt, wie vorgesehen, die endgültige Auflösung voranzutreiben. Sie erzielten 1985 aus Mieten und Hausverkäufen, aus Aktiengeschäften und Beteiligungen, die letzten Endes alle aus dem „noch“ nicht liquidierten Vermögen hervorgegangen sind, einen Überschuß von über 43 Millionen Mark–Rekordergebnis. Zum dritten Mal nach 1967 und 1974 schütteten sie dieses Jahr 1,50 DM je 100 Reichsmark (eine Umstellung auf D–Mark erfolgte nie) an die Farben–Aktionäre aus. Die Dividende ist für inländische Privateigentümer steuerfrei, da es sich um eine „Kapitalrückzahlung“ handelt. Eine Rückstellung von 7,4 Millionen Mark trägt „dem Risiko etwaiger Entschädigungsleistungen aus der Beschäftigung ausländischer Häftlinge während der Kriegsjahre“ Rechnung. Das geschäftstüchtige Farben–Duo denkt bei solch florierendem Geschäft nicht im Traum daran, sich mit dem satten Gewinn zu begnügen und den Laden dicht zu machen. Die Liquidation wird verschleppt. Die Liquidatoren und Farben–Fans träumen noch von weit mehr: von dem immensen Auslandsvermögen (über eine Milliarde Reichsmark), verteilt auf 94 Länder. Ein großer Brocken davon schlummert in Lateinamerika. Um dieses ehemalige Farben–Vermögen im Ausland zurückzugewinnen, verfolgt die Farben–Verwaltung „die Durchsetzung entsprechender Entschädigungsansprüche und führt die Prozesse fort...“ Auf diesem Wege sind den Abwicklungsspezialisten bereits 41 Millionen D– Mark aus früheren Auslandsvermögen wieder zugeflossen. Wie ein „Damoklesschwert“ schwebt über der Farben–Gesellschaft der sogenannte Interhandel– Prozeß gegen die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG). Der geschichtliche Hintergrund: Um das Farben–Auslandsvermögen „vor drohender Beschlagnahme durch den Feind in Übersee zu schützen, wurde 1945 die Baseler Interhandel AG als Treuhänderin eingesetzt“. Doch der Schuß ging nach hinten los: Das Farben–Vermögen wurde von den Amerikanern beschlagnahmt. Und die Schweizerische Bankgesellschaft, die durch Fusion mit Interhandel deren Rechtsnachfolgerin wurde, erstritt schließlich auf Vergleichswegen rund 120 Millionen US–Dollar für sich - für die IGF i.L. waren die Besitzrechte erstmal verloren, sie hatte sich selbst ausgetrickst. Im Herbst 1985 wurde die Farben–Klage, mit der sie „ihr“ Geld zurückerstreiten will, in zweiter Instanz abgewiesen. Der Vorwurf an die Schweizer, als Treuhänder ungetreu gehandelt zu haben, scheiterte vor deutschen Gerichten an „Zulässigkeits–, Verjährungs– und Verwirkungsfragen“. Von einer positiven Rechtsprechung hatten sich die Liquidatoren und Aktionäre vor allem auch anderweitige, „schon längst überfällige Korrekturen“, versprochen. Auf einer halben FAZ–Seite trug 1981 der Berliner Dolmetscher und Börsenspekulant Götz Hildebrand– Striem dem damaligen Bundeskanzler Schmidt den „zum Himmel schreienden Skandal“ vor. Genauso wie den Verfolgten des Naziregimes gebühre den Farben–Aktionären, deren Konzerne von alliierten Siegern zerschlagen wurde, eine „gerechte und unverzügliche Entschädigung - vorweg wäre eine Abschlagszahlung von 1.000 Mark angenehm“. Der Farben–Kurs stand und steht bei rund zehn Mark. „Tatsächlich ist die Aktie aber noch viel mehr wert, nämlich 6.554 Mark.“ Striem habe dies als Gerichtsdolmetscher bei den Farbenprozessen herausgefunden. Einzelheiten könne er wegen seiner Verschwiegenheitspflicht als vereidigter Gerichtsdolmetscher nicht bekannt geben. Die „Farben–Liquis“, wie die Farben–Aktien in Börsenkreisen genannt wird, gehören nämlich zu den Spezial–Papieren, aus denen die Spekulantenträume sind. Effekten–Promotor wie Striem sorgen mit Anzeigen, Börsenjournals mit „Börsengerüchten“ und Wirtschaftsmagazine mit Reportagen über die „Farbenlehre“ dafür, daß die Farbenträume zumindest teilweise Wirklichkeit werden: Die Farben–Liquis reagieren mit 30– bis 50–prozentigen Kurssprüngen. Darüber hinaus haben die Abwicklungsspezialisten den nächsten Coup gestartet. Die Farben– Tochter Ammoniakwerk Merseburg GmbH (AWM), ebenfalls i.L., soll nicht, wie eigentlich vorgesehen, aufgelöst, sondern als produzierendes Unternehmen reaktiviert und taufrisch in die Börse eingeführt werden. Als Grund wurde angegeben, die Realisierung der alten Aktienbestände von Merseburg, „in denen hohe Kursreserven stecken“, sei bei einem produzierenden Unternehmen mit einer weniger hohen Steuerbelastung verbunden. Die Vermutung scheint nicht abwegig, daß die AWM dereinst als ordentlicher Gewerbebetrieb zum neuen Träger des IGF i.L.–Vermögens herhalten soll. Allein die Vorstellung dieses Clous in einem großen deutschen Wirtschaftsmagazin ließ die Farben– Kurse steigen. Falls der Kunsttrick gelingen sollte, würden den Farben–Fans nicht nur 100 Millionen Mark in Form von AWM–Aktien zufließen. Einer aktiven Geschäftspolitik mit Beteiligungen an Produktions– und Handelsunternehmen wären Tür und Tor geöffent. Ja, selbst ein Comeback in der Chemie, das ihnen unter dem Namen der IG Farben ewig verwehrt bliebe, wäre dann nicht auszuschließen. tazräzeltazräzeltazräzeltazräzeltazräzeltazräzeltazräzel Auflösung vom Samstag, 1.11.86 Das Wort, das den Schlüssel ni

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