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I N T E R V I E W „Mit CDU–Präferenz im Wahlkampf“

■ Der Druck der Parteibasis zeigt beim Hamburger FDP–Chef Ingo von Münch Wirkung

Hamburg (taz) - Mit der Drohung, als Spitzenkandidat nicht zur Verfügung zu stehen, schaffte es der 44jährige Staatsrechtler Ingo von Münch, daß sich die Hamburger FDP vor der Bundestagswahl 1986 die Koalitionsaussage offenhielt. Manche sahen daraufhin schon eine neue Ära der sozial–liberalen Koalition anbrechen. Doch durch die Bürgerschaftswahl vom 9.11. und die Bundestagswahl hat sich der innerparteiliche Druck auf von Münch enorm verstärkt. Die Parteimehrheit bevorzugt offen ein Zusammengehen mit der CDU und angesichts des maroden Zustands der Hamburger SPD kommt von Münch mit seinem „Offenhalten“ mehr und mehr in Legitimationsschwierigkeiten. Tom Janssen sprach mit Ingo von Münch. taz: Herr von Münch, vor vier Monaten knapp die Bürgerschaft verfehlt, jetzt heftig von SPD und CDU umworben. Wie fühlt man sich da? von Münch: Wie jemand, auf den vor kurzem noch alle Seiten einprügelten und der jetzt vor den Hauptaltar gezerrt wird. Politisch besteht die etwas surreale Situation, daß die beiden großen Bürgerschaftsparteien eine kleine Partei umwerben, die noch gar nicht in der Bürgerschaft sitzt. So ungern lassen Sie sich doch gar nicht vor den Altar zerren. Welchen Ihrer stürmischen Liebhaber bevorzugen Sie denn? Tja, wenn das mal eine Liebesheirat wäre. Die gibt es in der Politik so gut wie gar nicht, denn in diesem Bereich können Entscheidungen nicht nach persönlichen Sympathien oder Antipathien getroffen werden. Mit wem wir zusammengehen, müssen die Gremien der FDP in Hamburg bestimmen. Das müssen auch Sie abwarten - unabhängig von der Einzelmeinung des Ingo von Münch. Vor der Bürgerschaftswahl des 9. November haben Sie mit erheblichen innerparteilichen Schwierigkeiten eine offene Koalitionsaussage durchgesetzt. Wird sich das wiederholen? Damals führte ich diese Entscheidung herbei, um die FDP als eigenständige und offene Kraft zu profilieren und damit etwas für die politische Kultur zu leisten, die mehr und mehr im Lagerdenken erstarrt. Nun hat sich die Situation insoweit geändert, als es jetzt vor allem darum geht, die Stadt wieder regierbar zu machen. Meiner Meinung nach muß daher eine Lösung gefunden werden, die weiterhin die Kultur des Anti–Blockdenkens favorisiert, gleichzeitig aber die Probleme vor Ort löst. Das hört sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Ihrer Partei ganz so an, als würde der Privatmann von Münch die offene Koalitionsaussage favorisieren, während der Politiker von Münch vor der Parteistimmung in Richtung CDU schon resigniert. Was läßt das denn noch offen? Also erst einmal möchte ich mich von Ihnen so nicht aufspalten lassen, und dann ist die Parteistimmung noch nicht so festgelegt, wie von Ihnen beschrieben. Ich räume allerdings ein, daß der Druck in Richtung eindeutige Koalitionsaussage größer geworden ist. In dieser Situation kann sich der Mensch und Politiker von Münch vorstellen, daß die FDP mit einer Präferenz für die CDU in den Wahlkampf geht, sich zum Wohle der Stadt der SPD jedoch nicht verweigert, wenn die Wahlergebnisse nun einmal so sind. Doch noch einmal, ich möchte hier nicht den Parteigremien vorgreifen. Wenn Hamburgs FDP beschließt, es geht nur mit der CDU, wird es dann wieder einen Spitzenkandidaten Ingo von Münch geben? Das werden wir dann sehen. Ich kann mir jedoch nur schwer vorstellen, daß eine liberale Partei sich auf Gedeih und Verderb ausschließlich bindet. Das würde nicht nur meinem politischen Kulturansatz widersprechen, sondern auch Lösungen für die Stadt erschweren. Doch in Hinblick auf die politische Rationalität meiner Partei bin ich optimistisch.

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