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I N T E R V I E W Aquino gibt sich nun volksnah

■ Baltazar Pinguel, stellvertretender Generalsekretär von BAYAN (neue patriotische Koali– tion) zur Situation der philippinischen Linken nach dem Putschversuch vom 28. August

taz: Der jüngste Staatsstreich scheint erfolgreich abgewehrt worden zu sein. War er vielleicht auch veranlaßt durch die Protestkampagne der Linken gegen die Wirtschaftspolitik? Pinguel: Das ist nicht so abwegig. Jedesmal, wenn wir in elementaren Fragen die Menschen mobilisiert hatten, wurden durch Militäraktionen bzw. Putschversuche mögliche Erfolge durchkreuzt. Im Herbst 1986 gab es zahlreiche Arbeiteraktionen für die Aufhebung repressiver Arbeitsgesetze und die Erhöhung des Mindesteinkommens. Mitten in der Kampagne wurde Gewerkschaftsführer Rolando Olalia von Militäragenten ermordet. An seiner Beerdigung nahmen 800.000 Menschen teil. Sofort verstärkten sich Putschgerüchte, in deren Mittelpunkt der Ex–Verteidigungsminister Enrile stand. Anfang dieses Jahres machten die Bauern Druck für eine sofortige, umfassende Landreform. Am 22. Januar wurde ihr Demonstrationszug vor dem Präsidenten–Palast zusammengeschossen. Aquino hatte ihre politische Unschuld verloren und erschien plötzlich schlimmer als Marcos. Wenige Tage später wurde geputscht. Der Generalstreik vor knapp zwei Wochen hatte erstmals nationalen Charakter und ist auch hervorragend gelaufen. Die Regierung war gezwungen, die Preissteigerungen für Öl und Benzin teilweise zurückzunehmen. Keine 48 Stunden später war Honasan mit seinen Meuterern zur Stelle. Wie beurteilen Sie die innenpolitischen Auswirkungen? Als Folge der politischen Unruhe wird sich die Wirtschaftskrise verschlimmern. Die Inflationsrate dürfte aufgrund der Preissteigerungen bei Basisprodukten von knapp über null im vergangenen Jahr auf über zehn Prozent steigen. Die Auslandsschulden werden steigen. Was die legalen Linksorganisationen betrifft, sind Razzien und Verfolgungen noch eher möglich geworden. Aquino genießt im Ausland noch immer ein hohes Ansehen. Was hat die philippinische Linke zum Schwenk von kritischer Unterstützung zur totalen Opposition veranlaßt? Die Regierungspolitik. Aquino hat fast alle Versprechungen und Zusagen gebrochen. Ihr Landreformerlaß ist weit von unseren Erwartungen entfernt. In der Menschenrechtspolitik hat sie sich US– und Militärdruck gebeugt. Die Wirtschaftsreformen, mit denen die Armut beseitigt werden sollte, haben die Lebensbedingungen weiter verschlechtert. Willkürliche Verhaftungen vieler Führer des Volksstreikes stehen nahe an der Grenze zur Aufhebung der „Habeascorpusakte“. Ist die Schaukelpolitik Aquinos nicht auch Ausdruck der existierenden Machtverhältnisse im Land? Ist sie eine konservative Rechte oder eine Gefangene ihrer Berater und der Bedingungen? Sie ist nicht schwach oder total von ihren Ratgebern abhängig. Aquino ist nicht ernsthaft daran interessiert, Entscheidungen zu treffen, die der Masse der Bevölkerung nützen würden. Sie ist eine Rechte mit volksnaher Fassade. Sie hat ihre Wurzeln im konservativsten Sektor unserer Gesellschaft, der feudalen Landbesitzerklasse und sich nie richtig daraus gelöst. Das Militär behauptet gerne, daß BAYAN und nahestehende Gruppierungen legale Frontorganisationen der kommunistischen Partei und ihrer NPA–Guerilla seien. Gibt es Absprachen, wie ihr übereinstimmende Ziele gemeinsam erreichen könnt? Es stimmt, daß die Ansichten in vielen Punkten übereinstimmen. Wir sind Akteure derselben Szene, haben dieselbe Analyse und gelangen daher oft zu ähnlichen Ergebnissen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, daß wir nicht mit Waffengewalt kämpfen.

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