: Hungern und Hupen
■ Aktionen gegen 2. Schiffsregister / Heute Seeleute-Demonstration in Bremerhaven
Hungern ist still, aber Hupen hört jeder. Seit fünf Tagen halten Seebetriebsräte ihre Büros besetzt und fasten gegen das drohende Zweitregister. Gestern nachmittag, pünktlich um 16.15 Uhr sprangen ihnen alle Schlepperkapitäne in den bundesdeutschen Häfen zur Seite. Bis die Presslufttanks ihrer kleinen, dicken Schiffe leer waren, hielten sie den Finger auf dem Knopf. In den Hafenvierteln klirrten die Scheiben.
Nichts zu hören war allerdings im Betriebsratsbüro der Gesellschaft für Seeschiffahrt (Hapag Lloyd) hinter dem Hauptbahnhof. Blaß saß Betriebsrat Christian Schmidt hinter dem Schreibtisch. SeinKreislauf hatte die Fastenzeit gegen das Zweitregister schlecht überstanden.
Zur Erinnerung: Wenn es ein Zweites Schiffsregister gibt, brauchen bundesdeutsche Reeder ihre Schiffe nicht mehr in Panama oder Antigua anzumelden, wenn sie Seeleute aus der Dritten Welt zu Minilöhnen beschäftigen wollen. Das soll dann auch unter „Schwarz-Rot-Gold“ möglich sein, nicht im offiziellen, sondern im „zweiten“ Schiffsregister.
„Hunger stike over German Register“. Selbst die „Lloyds List“, die Zeitung des Londoner Versicherungsgesellschaft, die in
keinem Schiffsmaklerbüro der Welt fehlt, hat berichtet. Ihr Artikel ist das Schmuckstück der dicken Pressemappe. Mit dem öffentlichen Echo der Aktion ist Betriebsrat Schmidt zufrieden. Die Presseberichte hätten die Problematik vielen Menschen nahe gebracht, die davon bislang nichts wußten.
Zu diesen Ahnungslosen zählt Schmidt auch Parlarmentarier der Koalitionsfraktionen, die aber trotz Unkenntnis bereit seien, für das Zweite Register zu stimmen, wenn das Gesetz in diesem Monat in den Bundestag kommt. Ob die Hinterbänkler sich durch den Hungerstreik umstimmen lassen? Schmidt: „Wenn sie noch menschliche Züge haben, dann müssen sie“. Dennoch glaubt er nicht daran, daß die Aktion das Gesetz abwenden kann.
„Der Hungerstreik ist das letzte demonstrative, moralische Mittel, das uns zur Verfügung stand“, sagt Christian Schmidt. Was kommt danach? „Weitere Aktionen“, antwortet Schmidt unbestimmt, „aber sicher nicht nur symbolische“.
Heute um 11.30 Uhr treffen sich die Seeleute und Gewerkschafter anderer Branchen zur Demonstration am Museumshafen von Bremerhaven.
mw
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