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Hungern für die Dritte Welt

In Spanien verlief ein Hungerstreik für mehr Entwicklungshilfe erfolgreich: Alle Parteien unterzeichneten einen Solidaritätspakt  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Abgemagert und müde sehen die zwei aus. Juan Luis Herrero und José Cortes haben vier Wochen in zwei, vor der Parteizentrale der konservativen Partido Popular geparkten Wohnmobilen gehungert. „0,7 Prozent des BIP – jetzt“, so erklären Transparente den Sinn dieser Aktion im Herzen Madrids. Gemeint ist der von der UNO empfohlene Mindestsatz an Entwicklungshilfe, der mindestens 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen soll.

Die Partei von Oppositionsführer José María Aznar hatte sich bis zuletzt geweigert, einen von den regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) ausgearbeiteten Solidaritätspakt zu unterzeichnen. Doch jetzt ziert auch die Unterschrift der Konservativen den Pakt, in dem sich alle Parteien verpflichten, den Satz von 0,7 Prozent des BIP in ihr Wahlprogramm aufzunehmen. Als erster Schritt sind 0,5 Prozent als Entwicklungshilfe für das kommende Haushaltsjahr vorgesehen. 20 Prozent davon soll direkt Basisprojekten in den Empfängerländern zugute kommen.

In den letzten zwei Jahren erreichte die Bewegung „0,7 Prozent – jetzt!“, die mittlerweile über Komitees in 130 Städten und Gemeinden verfügt, bereits eine Steigerung von 0,25 auf 0,35 Prozent des BIP. Diese Summe kann um weitere 0,15 Prozent – umgerechnet fast zwei Milliarden Mark – aufgestockt werden, wenn konkrete Projektvorgaben von NGOs eingereicht werden. Doch bis auf wenige große Organisationen beantragte niemand die Gelder. 90 Prozent gingen somit an die Staatskasse zurück. Um dies künftig zu verhindern, „muß die Regierung selbst Projekte suchen“, erklärt José Cortes, mit 34 der jüngere der beiden Hungerstreikenden. Kritik gibt es auch an der Vergabe der über vier Milliarden Mark Entwicklungshilfe im letzten Jahr. Hauptbezugsländer sind Mexiko, Marokko und die Volksrepublik China. Einziges Ziel sei der Ausbau der Handelsbeziehungen, monieren die 0,7-Leute. Die Entwicklungshilfekredite mit langer Laufzeit und niedrigen Zinsen haben einen weiteren Haken. Die Empfänger dürfen mit den Geldern nur im Geberland kaufen, oft zu völlig überteuerten Preisen. Eine Studie zeigt außerdem, daß Spanien zwischen 1980 und 1990 7,5 Milliarden Mark Entwicklungshilfe als Rüstungskredite vergab – ein Viertel der Gesamtsumme.

Um dies zu verhindern, sieht der Entwicklungshilfepakt ein Vergabegremium vor, in dem die NGOs die Mehrheit haben. Genau hier tut sich die Partido Popular schwer. „Sie vertritt die Interessen derjenigen, die durch zweckgebundene Kredite verdienen“, so Cortes. Dennoch ist die Unterschrift der Konservativen unter den Solidaritätsspakt für die Leute von „0,7 Prozent – jetzt!“ ein wichtiger Schritt, denn allen Voraussagen nach wird José María Aznar im März die Wahlen gewinnen.

Die Hungerstreikenden befürchten nun vor allem, „daß uns die Regierung eines Tages damit kommt, daß die höheren Ausgaben für Entwicklungshilfe mit den Maastrichter Kriterien für die Europäische Währungsunion unvereinbar sind.“ Deshalb sähen sie ähnliche Aktionen wie die ihre gerne auch im restlichen Europa. Denn: „Wirklich etwas zu verändern, das liegt in den Händen der Solidaritätsgruppen in den wirtschaftlich starken Ländern wie Deutschland und Frankreich.“

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