: Hunger auf Peanuts
Nach dem Aus in der Champions League wird beim FC Bayern über das Personal nachgedacht. Die deutsche Meisterschaft und der Pokalsieg sollen nun für das Debakel von Mailand entschädigen
AUS MAILAND MARCUS BARK
Der Kameramann des Bayerischen Rundfunks hat die verwegene halbe Drehung gut überstanden. So schnell, wie Oliver Kahn am Objektiv vorbeihuschte, waren gute Reflexe gefragt. Es war wohl besser, dass erst gar kein Journalist versucht hatte, den Torhüter zu einem Stopp zu bewegen. Wenn Kahn schweigt, sagt das alles.
Karl-Heinz Rummenigge blieb als Erster stehen, um die 1:4-Niederlage des FC Bayern beim AC Mailand und das Ausscheiden im Achtelfinale der Champions League in Worte zu fassen. Der Vorstandsvorsitzende wählte dabei so ziemlich alle Vokabeln, die der Duden für eine solche Vorstellung vorsieht: „Blamage“ – „Fiasko“ – „Debakel“ – „Vorführung“ –„Desaster“. Es war das einzige Feuerwerk, das ein Münchner am Mittwochabend abbrannte. „Die internationalen Träume sind ausgeträumt. Das war eher ein Albtraum“, sagte Rummenigge. Der Form halber forderte er, dass nun Meisterschaft und DFB-Pokal gewonnen werden müssen. Aber für einen Verein, der seinen Fokus in dieser Saison offiziell auf die Champions League gerichtet hatte, sind das Peanuts, mehr nicht. Die Bayern waren nach dem 1:1 im Hinspiel merkwürdig verhalten nach Mailand gereist. Auf dem Platz sollte sich das ändern. Rummenigge habe „zufällig“ die Ansprache von Trainer Felix Magath mitbekommen: „Wir wollten Zeichen setzen.“ Mit Ausnahme einer akzeptablen Viertelstunde vor der Pause, in der Valerien Ismael verkürzte, bot der Deutsche Meister eine in jeder Hinsicht schwache Vorstellung.
Trainer Felix Magath befand, dass so etwas wie in der ersten halben Stunde „durchaus mal vorkommen“ könne; der Duden sieht dafür den Begriff Chaos vor. Immerhin hätten die Bayern in den Gruppenspielen gegen Juventus Turin (2:1 und 1:2) gezeigt, dass sie in der europäischen Spitze mithalten könnten. Uli Hoeneß ist eigentlich derjenige, der merkwürdige Thesen aufstellt, um den Kritikern Wind aus den schon nach dem 1:2 gegen den Hamburger SV gut belüfteten Segeln zu nehmen. Der Manager aber fand dieses Mal keinen Ansatz. Hoeneß war „maßlos enttäuscht“ und polterte mau: „Man hat bei dem ein oder anderen gesehen, dass es nicht reicht.“
Wie Rummenigge kündigte er eine Klausur an: „Wir werden jetzt ein paar Tage darüber schlafen, dann diskutieren und dann eventuell handeln.“ Das klang so, als müsse sich der ganze Kader Sorgen machen, doch die Möglichkeiten der personellen Konsequenzen sind begrenzt. Felix Magath hat noch einiges an Kredit. Derart viele taktische Fehlleistungen wie in Mailand – beispielsweise den defensiv überforderten Sebastian Deisler für Hasan Salihamidzic zu bringen – darf sich der Trainer nicht oft erlauben. Von den Spielern in der Startelf haben Kahn, Lucio, Ismael, Martin Demichelis und Claudio Pizarro nichts zu befürchten. Schweinsteiger hat einen schweren Stand im Klub, aber wird dem einst geplanten FC Deutschland 06 erhalten bleiben. Zwei der schwächsten Münchner in Mailand, Deisler und Willy Sagnol, haben – wie Lucio – erst kürzlich ihre Verträge verlängert. Sagnol profitierte dabei vom wenig entscheidungsfreudigen Michael Ballack, der wohl sein letztes Champions-League-Spiel für die Münchner bestritt. Es war ein schwacher Auftritt. Ohnehin haben die Bayern mit Ballack in der Nobelklasse nichts Großartiges erreicht. Aus im Viertelfinale, in der Vorrunde, wieder im Viertelfinale und nun im Achtelfinale – das ist seine Bilanz.
Bixente Lizarazu wird kaum über das Saisonende bleiben, aber das war abzusehen. Als prominenter Kandidat für personelle Konsequenzen bleibt Roy Makaay. Der Vertrag des Stürmers ist bis 2007 gültig. Gespräche über eine Verlängerung sind gestoppt worden. Der Holländer feierte gestern seinen 31. Geburtstag. Als Rummenigge während des Banketts darauf einging, gab es nur höflichen Applaus. Der Händedruck des Bayern-Bosses war ähnlich kühl.