: Hunderte Kriegsgefangene in Bosnien freigelassen
■ Bosnischer Außenminister fordert Serben zur Übergabe von inhaftierten und verschleppten Muslimen auf. Konfliktparteien einigen sich über OSZE-Abkommen
Genf (taz) – Mehrere hundert Kriegsgefangene sind am Wochenende in Bosnien freigekommen. Nach einem ersten Treffen führender Vertreter der muslimisch-kroatischen Föderation und der Serben am Freitag in Pale wurden bis gestern nachmittag 380 der 645 Kriegsgefangenen freigelassen, die sich nach Informationen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) noch in Haft befanden: 241 von der bosnischen Regierung, 127 von den Kroaten und zwölf von den Serben. Die Kroaten behielten 51 Serben in Haft, denen wegen Kriegsverbrechen der Prozeß gemacht werden soll. Das stünde in Einklang mit dem Dayton-Abkommen, erklärte der IKRK-Vertreter Gauthier in Sarajevo. Laut Abkommen hätte die Freilassung aller Gefangenen bis zum 19. Januar erfolgen sollen. Gauthier erklärte, dies werde hoffentlich bis heute geschehen. Die laut IKRK am Sonntag nachmittag noch überfälligen 245 Gefangenen befinden sich nach inoffiziellen Angaben der Organisation in serbischer Haft. Bosniens Außenminister Mohammed Sacerbey forderte in New York aber die Freilassung „Hunderter oder Tausender“ Muslime, die sich derzeit noch in „Zwangs- und Arbeitslagern“ der Karadžić-Serben befänden. Zudem verlangte Sacerbey von Serbiens Präsident Slobodan Milošević die Freilassung „Hunderter“ Muslime, die nach der Eroberung der beiden ehemaligen UNO- Schutzzonen Srebrenica und Žepa im Juli 1995 von den Serben nach Serbien und Montenegro verschleppt worden seien und dort weiter in Arbeitslagern festgehalten würden. Für zusätzliche Verwirrung über die Zahl inhaftierter und bereits ausgetauschter Gefangener sorgt die Tatsache, daß sich unter den in den letzten Wochen freigelassenen Personen laut IKRK rund 350 Zivilisten befinden, die als „gewöhnliche Kriminelle“ in Haft waren. Diese fallen nicht unter die Bestimmungen des Dayton-Abkommens.
Auch bei der Umsetzung der Bestimmungen über vertrauensbildende Maßnahmen gab es Fortschritte. Kurz vor Ablauf der im Dayton-Abkommen festgelegten Frist am Freitag um Mitternacht einigten sich in Wien Vertreter der muslimisch-kroatischen Föderation und der bosnischen Serben auf den Datenaustausch über ihre Truppenstärken und Waffenarsenale sowie auf gegenseitige Kontrollen. Dazu sollen auch Vor-Ort- Inspektionen gehören. Militärische Manöver und größere Truppenbewegungen sollen künftig der anderen Seite vorab angezeigt werden. Die jetzt fristgerecht mit einem Vertrag abgeschlossenen Verhandlungen über vertrauensbildende Maßnahmen im militärischen Bereich hatten am 4. Januar unter Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) begonnen. Andreas Zumach
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