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Hundeleben im Tierheim

■ Internationaler Tierschutztag: Tag der offenen Tür im Tierheim - nur für BesucherInnen / Neuer Hundezwinger, Musik und Boykottaufruf für Pelzkauf

Hunde bellten, Hunde jaulten, Hunde winselten, Hunde wedelten wie wild, Hunde knurrten, Hunde zogen die Schwänze ein - Hunde machten Hundeaugen. Eine Swing-Combo spielte lautstark auf. Tierliebe BesucherInnen, meist in Form eines sonntäglichen Familienausflugs, defilierten mit Bonschentüten in der Hand und oft mit eigenen verblüfften Vierbeinern an der Leine an Zwingern und Käfigen vorbei, streichelten Hundenasen zwischen Gitterstäben, sprachen mit Katzen in Käfigen.

Das Tierheim an der Hemmstraße („Sie finden uns zwischen Müllverbrennungs-Anlage und Autobahn“, erklärte eine Mitarbeiterin am Telefon) feierte ge

stern zum „Welt-Tierschutztag“ seinen neuen Hundezwinger und dazu den jährlichen „Tag der offenen Tür“, was sich allerdings nur auf die Menschen bezog. Auch die als Tierfreundin bekannte Gesundheitssenatorin Dr. Vera Rüdiger war eigens gekommen. „Ich kenne viele Tierheime, aber ich habe noch kein so schönes gesehen“, lobte die Senatorin, nachdem sie auf ihrem Rundgang furchtlos „mit allen Hunden und Katzen geschmust“ und einen Schäferhund zum Patentier erkoren hatte.

Liebevolle MitarbeiterInnen hatten Namensschildchen an den Käfigen mit allerlei Hinweisen angebracht. Schäferhund 'Carlos‘ etwa ist „lieb und unheimlich verschmust“ und obendrein stubenrein. Ein etwas mickriger „Schnauzer-Mix“ („kinderlieb, sollte nicht alleingelassen werden“) guckt und spricht alle an, die vorübergehen, als ob er wüßte, daß es gilt, in einigen Sekunden Menschenherzen zu fesseln. „Warum sind die alle so traurig?“ fragte ein kleiner Steppke mit Eistüte seine Mutter; die weiß auch keine Antwort. Ein großer Beagle weint, und ein kleiner Junge hat sich ruhig dazugesetzt und streichelt seinen Kopf durchs Gitter.

90 Mark kostet eine geimpfte, kastrierte, tätowierte Katze; für 135 Mark wechselt ein Hund in private „gute“ Hände. „Schwierige Fälle, mit Ekzemen, oder ältere Tiere, die wir lange nicht loswerden, bringen wir in die Zeitung oder ins Fernsehen“, erklärte ein gummistiefeliger Mitarbeiter der taz, „das klappt.“

Wenn schon Tiere in Tierheimen eingesperrt werden müssen, weil irgendwelche Menschen den Job oder den Vermieter wechseln, in Urlaub fahren oder ihr lebendes Weihnachtsgeschenk doch nicht wollen und deshalb ihre Vierbeiner aussetzen, dann ist der neue Hundezwinger wahrscheinlich angenehmer als die Knäste in anderen Anlagen. „Wir haben hier 12 Quadratmeter Auslauf für jeden Hund“, erklärte Wolfgang Apel, Vorsitzender des Bremer Tierschutzvereins und Bundestierschutz-Geschäftsführer, „mit soviel Platz pro Tier haben wir die Bundes-Richtlinien 'bremisch‘ interpretiert.“ Und damit meint er nicht sparsam, sondern großzügig.

Jeder Hund bekommt außerdem am Tag eine Stunde Auslauf, und wenn nicht alle Käfige belegt sind, kann man die Trennwände hochschieben und mehr Platz schaffen. Die neuen Hundezwin

ger: Aluwände, Gitter seitlich, oben und vorn, ein Holzquadrat in einer Ecke, pieksauberer, kalter Betonboden. „Hunde wollen das nicht anders“, behauptet Apel, „das sind Lauftiere, die müssen ja auch ihre Nägel abwetzen.“ Die 50.000 Mark für den Hundezwinger-Neubau hat der Tierschutz -Verein nur aus eigenen Mitteln, Spenden und Beiträgen, aufgebracht. Mal gerade 600.000 Mark hat das Tierheim in 15 Jahren an Zuschüssen bekommen.

1.200 ausgesetzte, gefundene oder verunglückte Hündinnen und Hunde hat das Tierheim im letzten Jahr aufgenommen, nur 36 von ihnen mußten wegen unheilbarer Krankheiten eingeschläfert werden - „eine bemerkenswert niedrige Rate“, freute sich die Senatorin.

Zum Boykott gegen Pelzkauf ruft der Tierschutzverein bundesweit und auch in Bremen auf. Vera Rüdiger wird für das Bundesland Bremen im November im Bundesrat gegen die geplante Pelztierhaltungs-Verordnung stimmen, nach der Nerze, Chinchillas, Füchse und andere „Pelzlieferanten“ in kleinsten Käfigen gehalten werden dürfen - „eine brutale Tierquälerei ohne Grund“, wertete Apel engagiert. Susanne Paa

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