: Hunde haben ihre eigene Ästhetik!
■ Die Hündin braucht einen Gärtner / Gassi-Gehen: Gesellschaftspolitisches Problem
Foto: Jörg Oberheide
Neustädter Hunde machen von sich reden: Sie wollen nicht in ihr Hundeklo. Nicht daß dieses Hundeklo eine versteckte Tonne oder eine stinkende Hütte wäre, wo die Fiffis mit Artgenossen Schlange stehen müssen. Nein, das Hundeklo in den Neustadtswallanlagen hinter der Hochschule für Technik ist ein Hundeparadies: rund 500 Quadratmeter groß, bewachsen mit Bäumen, Büschen, trockenem Gras.
Hundehaufen indes suchen die Augen der SpaziergängerInnen vergeblich im Laub und Moos des Hundelustgartens, der durch einen Maschenzaun vom Menschenpark abgetrennt ist und über zwei eigene Eingänge verfügt. Dafür liegen aber um so mehr Haufen jeder erdenklichen Konsistenz und Farbe zwei Menschenschritte davon entfernt, nämlich auf der anderen Seite des Kiesweges, der Mensch und Hund am Hundeklo vorbeiführt: Auf dem Rasen, wo Menschenkinder spielen und in der Sonne
sitzen wollen, da liegen sie: klein und groß, braun, schwarz, hellbraun, weiß.
„Das ist ein weltweites Problem“, weiß Hinrich Behrens vom Gartenbauamt. Hundeklos sind „schnell gedacht“, sagt der Fachmann, „sie funktionieren aber nicht“. Denn, so Behrens, die Hunde sagen ja nicht vorher Bescheid. Und deshalb schaffen sie es manchmal beim besten Willen ihrer Frauchen und Herrchen
nicht, sich ihren Haufen lange genug zu verkneifen. „Sicher ist dort anfangs etwas mehr Hundekot aufgetreten“, analysiert Behrens den Erfolg, „aber ob da nun auf dem Rasen 100 oder nur 95 Haufen liegen...“
Eine repräsentative Umfrage bei Neustädter Hunde-BesitzerInnen ergab, daß der gut gemeinte Beiratsbeschluß zum Hundeklo wahrscheinlich von Bürokraten gefaßt wurde, die keinen Einblick in die empfindsame Hundepsyche und die Praxis des Hundealltags haben. Weiterhin machten diese Bürokraten sich keine Vorstellung von der Psyche der MitarbeiterInnen im Gartenbauamt.
„Hunde haben ihre eigenen Ästhetik!“ erklärt eine junge Frau, mit einem Schäferhundmischling. Ihr Liebling mag beispielsweise nur auf den Rasen machen, aber nicht ins Gestrüpp. Eine andere Frau, mit Plastiktütchen fürs Hundehäufchen in der Manteltasche, weiß das zu bestätigen: „Wenn erstmal das Gras sprießt, sind die da nicht mehr reinzukriegen. Da wird ja nie saubergemacht.“ Nicht saubergemacht — die Haufen werden nie weggeräumt? Nein, darum geht es gar nicht. Es geht darum, daß das Hundeklo gärtnerisch nicht gepflegt wird. Das paßt den Hunden nicht.
Den GärtnerInnen wiederum paßt das Hundeklo nicht. Sie verstehen sich nicht als Hundekloreiniger, noch wollen sie im Kot watend die umzäunte Grünfläche pflegen. „Ein gesellschaftspolitisches Problem“, resümiert Behrens, „das realpolitisch nicht zu lösen ist“. Denn, das kommt noch hinzu: Wer will in einer Stadt wohnen, die in Abständen von 500 Metern mit Hundeklos übersät ist?! „Denken Sie an den Flächenverbrauch!“ Beate Ramm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen