: „Humanitäre Gründe nicht glaubwürdig“
■ Türkische Pressestimmen zum Verhältnis Bundesrepublik-Türkei
Bekir Coskun in der Zeitung 'Sabah‘:
Unsere Geschäftsleute waren mutig, als sie vor die Fernehkameras traten und verkündeten: „Wir sind bereit, die Handelsbeziehung zu Deutschland abzubrechen und deutsche Waren zu boykottieren.“ Aber es hat sich herausgestellt, daß diese Taktik mehr der Türkei als Deutschland Schaden zufügen wird. 1991 betrugen unsere Einnahmen aus Exporten nach Deutschland 3.412 Millionen US-Dollar. Unsere meisten Exporte unter den westlichen Ländern gehen nach Deutschland. Das heißt: Im Falle eines gegenseitigen Wirtschaftsembargos wird die Türkei den Schaden davontragen. Die Deutschen sind verantwortlich für das Massaker an sechs Millionen Juden. Sie waren die Produzenten des Giftgases, mit dem in jüngster Vergangenheit 5.000 Frauen und Kinder in Halabja getötet wurden. Ihre Haltung zur Türkei erklärt sich nicht aus Humanität, sondern aus dem Bestreben, nach dem Fall der Sowjetunion zur zweiten Supermacht aufzusteigen. Leider sind der Türkei die Hände gebunden. Uns bleibt nur übrig, beim Spazierengehen Reifen deutscher Autos einen Fußtritt zu verpassen.
Metin Toker in der Tageszeitung 'Milliyet‘:
Man kann nicht daran glauben, daß der Beweggrund für die Deutschen war, daß Waffen, die sie uns gegeben hatten, im Südosten der Türkei eingesetzt wurden. Wir haben akzeptiert, diese Waffen im Rahmen der Nato einzusetzen und die Deutschen akzeptierten, daß der Schutz der türkischen Grenzen legitim ist. Selbst wenn die Operationen im Südosten des Landes nicht im Rahmen der Nato gesehen werden können, so ist es dennoch offensichtlich, daß sie dazu dienen zu verhindern, daß die Grenze zu Irak zum Marktplatz wird, wo jeder ein und aus gehen kann. Ist die deutsche Regierung im Glauben aktiv geworden, daß die Regierung in Ankara kurdische Zivilisten massakriert? Die humanitären Gründe sind nicht glaubwürdig. Versucht Deutschland nicht vielmehr den Status der Türkei, der mit dem Lausanner Vertrag festgelegt ist, zu verändern? Genauso, wie der Status von Titos Jugoslawien verändert wurde.
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