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Huhn schläft - Darm nicht

■ Dr. Brukers Gedanken zu gottlosen Behauptungen über unsere Verdauung

BUNSENBRENNER

Dr. Med. M. 0. Bruker mag die Medien nicht. Sie widmen sich nicht mit der notwendigen „Inbrunst den wahren Problemen unserer Zeit“, schreibt er im Editorial des „Organs der Gesellschaft für Gesundheitsberatung“ (GGB), dem 'Gesundheitheitsberater‘ (Ausgabe Mai 1990). Und tun sie es doch einmal, dann tun sie es falsch.

Zum Beispiel, wenn es um unsere Verdauung geht. Unausrottbar scheint dem streitbaren Arzt und bundesdeutschen Ernährungspapst der „immer wieder“ in Zeitschriften verbreitete Irrglaube, der Darm gehe mit den Hühnern schlafen. Dieser Demagogie hat Dr. Bruker nun die endgültige wissenschaftliche Lehrmeinung entgegengestellt ('Gesundheitsberater‘, Seite 9). Denn „alle Organe, die vom vegetativen System gesteuert werden, sind, solange der Mensch lebt, rund um die Uhr tätig“. Den Beweis bleibt der Mediziner und verantwortliche Redakteur nicht schuldig: „Das Herz stellt seine Tätigkeit über Nacht nicht ein , erfahren wir und - der gebildete Leser/die gebildete LeserIn ahnt es schon - „auch die Atmung geht während des Schlafs weiter“. Genauso ist es mit Leber, Magen, Dünndarm und Dickdarm.

Wer nur glaubt, was er sieht, kann entweder seinen Magen -Darm-Trakt mit „Röntgenkontrastbrei“ abfüllen und feststellen, daß der „über Nacht ein ganz erhebliches Stück weiterbefördert wird - oder den Morgen abwarten: „Viele Menschen verspüren den Drang, morgens nach dem Aufstehen den Darm zu entleeren!“ (Ausrufezeichen im Original!).

Für den kämpferischen Dr. Bruker steht somit unzweifelhaft fest: Die in welcher Absicht auch immer behauptete Verbindung zwischen den Ruhezeiten von Huhn und Darm ist ein „Phantasiegebilde, das im Widerspruch zur Realität steht“.

Aber damit nicht genug: Auch die weitverbreitete Auffassung, „daß Speisen, die nach 16.00 Uhr genossen werden, sich in Fusel verwandeln, muß man in das Reich der Fabel verweisen“. Die Steuerung der Enzymproduktion nämlich läuft ebenfalls über das „vom Willen unabhängige“ vegetative Nervensystem. Irgendwie schade. Denn mit dieser wegweisenden Information zerstört der Autor die beim Leser gerade keimende Hoffnung, er könne seine tägliche Alk-Dröhung statt mit Apfelkorn ebensogut in Form einer Bohnensuppe am Abend zu sich nehmen.

Für Dr. Bruker ist Aufklärung auch eine Glaubenssache: „Was einen gläubigen Menschen besonders stören muß, ist die Rolle, die man bei solchen primitiven Vorstellungen dem Schöpfer zuweist. Er soll den Menschen so dumm konstruiert haben, daß die Verdauungsorgane nur zeitlich beschränkt ihre Aufgaben erfüllen könnten.“

Gott schütze den Populärjournalismus vor den gläubigen Medizinern!

gero

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