: Honigsahne mit lull und lall
■ Max Goldt kam über uns im Waller Kairo / Eine Szene und ihr Dichterfürst
Also DAS isser nun, Haupthaar wie Muttis Liebling, graue Söckchen, Gesundheitssandalen, saftige Ohrläppchen. Draußen vor der Tür des Kairo hängt ein Schildchen „Voll. Leider“.
Weil das aber die LiebhaberInnen dieses phantastischen Blödel-Poeten mit Wohnsitz Tiergarten, Berlin, offensichtlich nicht vom gewalttätigen Eindringen abhält, tagen wir hinter abgeschlossener Tür.
Schweißschwadendicke Gemütlichkeit zwischen „angestaubten Jungbohemiens in stinkiger Kneipe“, wie das titanic'sche GOLDT-Kind es später gelassen und honigsahnesanft ins etwas pfeifende Mikro lesen wird.
Das also isser, der RezensentInnen zu Rhapsoden macht. Wem soll ich da berichten? Das Lokal ist eh voll. Und wer drinnen sitzt, lacht bei manchen Stücken schon beim Titel.
Man kennt sich und bestellt bestimmte Kulinaria nach. Z.B dieses schwulenfeindliche „Max, du bist besser als Frauen“. Wo erst die Sieben-Bier-Bi-Sexualität - Dein Name ist Wiglaf Droste - ihr Fett abkriegt, mitten auf die „behaarten Hände“, die wie „mutierte Hummeln“ sind.
Eigentlich an eine Frau gewöhnt, die es trotz ihrer 35 Jahre noch nötig hat, „die Widersprüche ihrer Jugend bei der taz abzuarbeiten“, tasten diese Hände
nach dem 7. Bier nach Maxens befremdetem Ärschchen. Aber nach dem Bi-Übergreifer, der dem begriffenen Max so gut gefällt wie eine „westfälische Bäuerin mit starken Hormonstörungen“, kommen die normalen Schwulen dran: „Die sind einfach
nur doof.“ Weil sie eine „kleine unterhaltsame Normabwei chung“ zum Lebensstil erheben. „Schwuler Humor ist, wenn einer Arsch sagt.“
Die Angesprochenen sitzen vor dem drastischen Meister und beömmeln sich. Die schönsten
und meisten Stücke, wie das „Gespräch mit der Radiotrinkerin“, haben's mit dem Alkohol. Keiner kann so dithyrambisch süß erbrechend lull-und-lallen wie Goldt. Dennoch, mein Liebling war das Moderatorengespräch mit Fräulein Fricke, der Hinrichtungshostess, d.h. eigentlich der „Assistentin bei der Vollstreckung der Höchststrafe“.
Was sie nicht gern sagt, denn Fräulein Fricke ist ziemlich gschamig und „das klingt jetzt so blöd“. Bis Goldtmax Fräulein Fricke zwischen seinen in Klarsicht gehüllten Texten gefunden hatte, hat er Brechts „Pflaumenbaum“ aufgesagt, auch nett.
Uta Stolle
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