: Hongkonger in die DDR?
■ Zehntausend, 52 oder keiner
Berlin(ap/taz) — Mehr als 50.000 Hongkonger werden in diesem Jahr die Kolonie verlassen. Seit dem sino-britischen Abkommen von 1984, das die Rückgabe Hongkongs an China am 1.7.1997 festlegte, nimmt die Zahl jener, die versuchen, rechtzeitig eine ausländische Staatsbürgerschaft zu erhalten, jährlich zu. Werden jetzt DDR-Pässe neben jenen Kanadas, Australiens und den USA zum Ziel der Wünsche? Werden 10.000 oder nur 52 Hongkonger noch schnell versuchen, DDR-Bürger zu werden? Zwei Ostberliner Regierungsbeauftragte hatten, vermittelt durch einen spanischen Makler und einen Münchner Wirtschaftsberater, am 23. August eine Vereinbarung über die Vergabe der DDR-Staatsbürgerschaft an bis zu 10.000 Hongkonger unterzeichnet. Das Kabinett hatte am 15. August seine prinzipielle Zustimmung gegeben, lediglich 52 millionenschweren Hongkongern aus „humanitären Gründen“ einen Reisepaß zu geben. Im Gegenzug werden Investitionen in Milliardenhöhe erwartet, die in der Vereinbarung aber nicht festgeschrieben, sondern nur mündlich zugesagt sein sollen. Nach Angaben des DDR-Regierungssprechers Gehler wird die Vereinbarung in dieser Form nicht von der Regierung akzeptiert. Mit Bonn sei die Aufnahme von 52 Hongkongern ausgemacht, mehr sollen auch nicht eingebürgert werden. Allerdings müssen noch binnen dieser Woche die Anträge vorliegen. Seit kurzem liegt eine Liste mit dem Namen der 52 Interessenten vor, doch noch kein Einbürgerungsantrag. Den Ostberliner Abgesandten wurde mit sofortiger Wirkung das Mandat entzogen.
Das Modell „Pässe gegen Investitionen“ ist in Hongkong wohlbekannt. Auch Kanada und Australien, die in Hongkong zu den begehrtesten Einwanderungsländern zählen, haben entsprechende Einwanderungskategorien für begüterte Hongkonger geschaffen. Auswanderung und die Beschaffung von Pässen ist in der Kolonie zu einem florierenden neuen Geschäftszweig geworden. Mit der DDR-Staatsbürgerschaft hätten die Hongkonger nach der Vereinigung automatisch Zugang zum EG- Markt. Chinatown in Chemnitz?
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