: Holy Moses
Mein lieber Scholli! Das ist also die mitdienstälteste Metalband aus deutschen Landen. Bereits 1979 standen da drei junge Herren um eine 14(!)jährige Dame herum, und sie sang ihren Vorbildern Black Sabbath und AC/DC im Übungskeller nach, und auf dem Schulhof war sie sicher der härtesten eine, allzeit zu einem Eiertritt bereit. Aber erst sechs schwere Lehrjahre (die dank der Rockdame weder Herrenjahre waren, noch wurden) erschien ihnen der Proberaum zu eng, Aachen zu klein, und überhaupt war es an der Zeit, Sabina Classen auf eine allgewaltige Headbanger-Szene loszulassen. Was müssen die bei den ersten Auftritten für Bauklötze gestaunt haben durch das herunterhängende, verschwitzt lange Haar.
Im Presseinfo wird ihre Stimme noch als kompromißlos untertrieben. Dabei kann man dem, was man Sabina verlauten hört, nur mit den Augen trauen. Da ist weder ein Alt-, noch Sopran-, noch Fiepsestimmchen, da ist eine Röhre, ein Rohr, ein Abflußrohr, das eine ganze Menge Dreck herausrotzt. Da ist Schmutz, wo sonst eine dauerwellenblonde Lockenpracht über körperbetonendem Lackleder wippt. Alter, die säuft, die haut Dir was vors Maul, wenn Du ihr krumm kommst. Die frißt Doro Peschs und Lita Fords zum Frühstück, worauf Du einen lassen kannst.
Eine Band, die solch vulkanische Amazone ihre Frontfrau nennen kann, die dreht die Regler am Verstärker gerne etwas lauter und schlägt die Trommelfelle schneller kaputt. Da kommt Thrash heraus, wie bei den Brüdern von Kreator, Altenessen. Wenig wundert's, wenn sie mit »Too Drunk To Fuck« der Dead Kennedys im Gepäck die letzte Langrille beschlossen haben. Die wissen, wo der Hammer hängt.
Seltsamer erscheint dagegen die kurzfristige Nebenbeschäftigung von Frau Classen bei RTL. Dort hat sie 1988 das Metalmagazin »Mosh« moderiert und sich sicher einen ganzen Haufen Stuß von vollgesoffenen, dichtgekifften und zugekoksten Brusttoupéexhibitionisten anhören müssen. Sie hat es unbeschadet überstanden, wie man auf der druckvollen Platte vom letzten Jahr den textlichen Kampfansagen anhört. Und mehr noch: Aus den kleinen Versicherungsbetrügereidramen heraus, die das ZDF als »Ein Fall für Zwei« hörzuleserfernsehzuschauertauglich freitäglich ausstrahlt, haben Holy Moses in einer Folge dem biertrinkenden Feierabendfamilienvater ihren Thrash ordentlich ins Glas gespuckt. Da braucht heute keiner bei Ede Zimmermann auf eine weitere Entladung zu warten, »World Chaos« von Holy Moses kommt diesmal live, zusammen mit den ähnlich senkrecht startenden Punkmetallisten Artillery, ab 21 Uhr im XTC. Harald Fricke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen