: Holländer dank Nazi–Recht im Dope–Prozeß
■ Der Niederländer Harm Dost steht in Düsseldorf vor Gericht, weil er in Arnheim an Deutsche Haschisch verkauft haben soll / Mit Dope–Einkünften Szene–Stiftung finanziert / Auslieferung über Teneriffa nach „Weltrechtsprinzip“ der Nazis
Von Corinna Kawaters
Düsseldorf (taz) - Harm Dost sieht aus wie der klassische Hippie. Mit langer Matte, die sich oben schon etwas lichtet, Jeans und schwarzem Schlabberpulli. Harm Dost (39) ist Experte in Drogenfragen. Doch der gut deutsch sprechende Niederländer sitzt nicht etwa in einer Legalize–It– Kommission (die die Grünen ihren Wählern übrigens immer noch schulden), sondern seit November 84 in Untersuchungshaft. Als Revisionsverfahren wird sein Prozeß derzeit vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt. Wegen des Verkaufs von Haschisch an Deutsche wurde Dost im vergangenen August zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen etlicher Formfehler muß das Verfahren jetzt neu aufgerollt werden. „Harm Dosts Wohnung in Arnheim war in Kifferkreisen als Bezugsadresse für Haschisch bekannt“, sagt ein Prozeßzeuge. Anfangs gingen nur kleine Mengen über den Ladentisch in der Van Hasselstraat 45, doch die Forderungen der zahlreichen deutschen Kunden steigerten sich. So mancher wurde auf der Autobahn mit etlichen Kilo Shit erwischt, gekauft bei Post oder anderen „Head–shops“ in Arnheim. Die Überschüsse der Geschäfte steckte Dost zunächst in ein Release–Projekt, bei dem Heroin–Abhängige mittels Haschisch von der harten Droge abkommen sollten. Dann gründete Dost mit Freunden eine Stiftung. Diverse Projekte, von Hausbesetzern über Anti–AKW– und Musik–Gruppen bis zu alternativen Arbeitsplätzen, konnten sich aus dem „schmutzigen Geld“ finanzieren. Die Staatsanwaltschaft im scheinbar so liberalen Nachbarland freute es nicht. Harm Dost wurde wegen „Großhandels“ mit Haschisch zu einer Haftstrafe von 20 Wochen verurteilt. Nur wer geringe Dope–Mengen besitzt, wird in Holland nicht bestraft. Seit längerem störte auch einen Düsseldorfer Staatsanwalt das muntere Treiben in Arnheim. Immer wieder tauchten hier Kiffer auf, die, wenn sie belangt wurden, behaupteten, sie hätten den Stoff aus Arnheim. Das ließ Staatsanwalt Hallmann nicht ruhen. Er wiegelte die Zollfahnder am Grenzübergang Kleve auf, „Material“ über Dost zu sammeln. Während der so Beschuldigte in den Niederlanden in Haft war, kam der Düsseldorfer mit seinem niederländischen Kollegen Denie überein, daß die Akte Dost auch nach Deutschland geschafft werden müsse. Diese Aktion war nicht rechtens, befand kurz darauf das niederländische Justizministerium. Der betreffende (niederländische)Staatsanwalt verlor seinen Posten und ist jetzt Richter in der letzten niederländischen Kolonie in Übersee. Anders auf dieser Seite der Grenze: Immer häufiger gingen der Zollfahndung, die nun wußte, was und wo sie suchen sollte, Haschischschmuggler ins Netz, die angaben, in der Van Hasselstraat gekauft zu haben. Doch Dost saß in Holland, die deutsche Justiz biß ohnmächtig in die Tischkante. Im November 84 fuhr Harm Dost nach Teneriffa. Flugs besann man sich in Düsseldorf auf ein seit 1940 bestehendes und von den Nazis niedergelegtes „Weltrechtsprinzip“. Dies stellt auch die Straftat eines Ausländers im Ausland unter deutsches Strafrecht, sofern die Tat „gegen einen deutschen Staatsangehörigen gerichtet ist“. (Unterzeichner im Mai 1940: Göring, Frick und Dr. Lammers, allesamt wegen Naziverbrechen zum Tode verurteilt.) Dem Auslieferungsantrag der Düsseldorfer kamen die spanischen Behörden schon deswegen nach, weil es darin dreist gelogen hieß, der Beschuldigte habe Betäubungsmittel in der BRD vertrieben, wovon freilich in der An klageschrift nicht mehr die Rede ist. Im laufenden Prozeß in Düsseldorf wird die ganze Vorgeschichte wiederaufgerollt. Alle Zeugen werden noch einmal gehört. Doch die meisten davon, deren Aussagen Dost im letzten Verfahren noch zu der zehnjährigen Strafe verholfen haben, können sich inzwischen nicht mehr so gut erinnern. Auch der Richter gab zu, er würde den Prozeß gern einstellen. Bisher hat er es unterlassen - er kann sich sicher sein, daß der Staatsanwalt anderer Mein unbg wäre und sofort Revision beantragen würde.Am dritten Prozeßtag war die Beweislage so mager, daß der WDR in einer Morgensendung meldete: Harm Dost kommt bald frei. Bisher steht nur der nächste Verhandlungstermin fest: Donnerstag, 22.10.87, 9.30, Landgericht Düsseldorf, Raum L115.
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