: Hoheitlicher Schaukampf
Ein geplantes Einkaufszentrum in Brinkum-Nord sorgt seit Wochen für Zoff zwischen Bremen und seiner Nachbargemeinde. Jetzt sollen Abgesandte über ein gemeinsames Gewerbegebiet verhandeln – auf Brinkumer Gemarkung, mit Bremer Geld
Bremen taz ■ „Nö nö nö.“ Das will sich Jürgen von Weyhe nicht länger mit anhören. Der zerfurchte Kopf mit der großen Brille schiebt sich ein wenig nach vorn, über den Tisch im Nebenzimmer des Hotels Bremer Tor in Stuhr-Brinkum, in Richtung seines Gegenübers. Das Gegenüber des Fraktionsvorsitzenden aus Stuhr ist Jens Eckhoff, Bremer Bausenator, CDU-Mitglied wie von Weyhe, und er hat sich soeben eine kleine Spitze doch nicht verkneifen können. Dass im Stuhrer Ortsteil Brinkum-Nord, dort, wo schon Ikea steht, direkt an der Landesgrenze zu Bremen, jetzt ein noch größeres Factory-Outlet-Center entstehe, eine potenzielle Konkurrenz für den Bremer Einzelhandel vielleicht, ohne dass das mit Bremen abgestimmt worden sei, das könne nicht sein, sagt Eckhoff, „da hätte man zumindest fragen müssen“. „Sie sprechen auch nicht mit uns, wenn Sie Sachen bauen“, kontert von Weyhe. Und trumpft auf: „Wenn es nach mir geht, dann ziehen wir das so durch, und dann sehen Sie ganz arm aus.“
„Sommertour“ nennt Eckhoff seine Stippvisiten in den Bremer Umlandgemeinden, drei Wochen lang, immer zwei am Tag, das Ziel: die Beziehungen zwischen der Hansestadt und ihren Nachbarn verbessern. „Der hat sich quasi selbst eingeladen“, heißt es in Stuhr dazu, „ich will jetzt nicht von Hofhaltung sprechen“, sagt Bürgermeister Cord Bockhop (CDU) bei der Begrüßung.
Eckhoff hat den linken Ellbogen weit vorne aufgestützt, seinen massigen Körper nach rechts gedreht, zu Bockhop hin. Dass der „Prozess hin zu regionalem Denken unumkehrbar“ sei, sagt er, allein, um beim EU-Geldregen nicht völlig leer auszugehen, dass die „Region“ und nicht eine einzelne Gemeinde nach vorn gebracht werde müsse, von „vertrauensvoller Zusammenarbeit“ spricht er. Und vom Factory-Outlet-Center in Brinkum-Nord. „Wir haben vor zwei Monaten festgestellt, dass wir dieses Thema voraussichtlich nicht gelöst bekommen.“ Bockhop hat die Hände gefaltet und starrt auf den Tisch.
Vor dem Hannoveraner Verwaltungsgericht hat Bremen geklagt, gegen die Baugenehmigung, die der Landkreis Diepholz dem Investor erteilt hat, auf der Grundlage des Bebauungsplans, den die damals noch selbstständige Gemeinde Brinkum vor über 30 Jahren für ihren nördlichen Ortsteil beschlossen hat. Und der, zumindest nach Auffassung der Gemeinde, zu recht auch Einzelhandelsflächen wie die jetzt geplanten zulässt. „Da können sie klagen, so viel sie wollen“, gibt sich von Weyhe siegesgewiss – und ist doch mächtig verärgert: „Das ist doch keine Zusammenarbeit!“
Rechtlich gesehen würde ein Baustopp, so Bremen denn Erfolg hat, in erster Linie den Investor treffen – der dann umgehend einen nachgebesserten Antrag stellen könnte. Den strittigen Bebauungsplan selbst aber hat Bremen gar nicht gewagt anzufechten. „Dann wäre das Band endgültig zerschnitten“, warnt Bockhop. Stuhr würde aus dem Kommunalverbund Niedersachsen-Bremen austreten, „und wir wären nicht die einzigen“. Bebauungspläne seien schließlich ureigenstes Gemeinderecht, eine „kleine hoheitliche Aufgabe“ – die auch Bremen nicht einfach in Frage stellen dürfe.
Einer gemeinsamen Lösung für „den Knackepunkt Brinkum-Nord“ will sich auch Bockhop nicht verschließen. „Wir könnten einen neuen Bebauungsplan machen“, sagt er. Nach neuem Baurecht wären Einzelhandelsflächen an dieser Stelle dann allerdings nur noch mit der Zustimmung Bremens möglich. Ohne Gegenleistung, so Bockhop, sei das nicht zu haben: „Do ut des“ – „ich gebe, damit du gibst“.
Diesen Wink hat Eckhoff offenbar verstanden. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe, so der gestern hinter verschlossenen Türen gefasste Beschluss, soll über ein erweitertes Gewerbegebiet Brinkum-Nord verhandeln: von Bremen und Stuhr gemeinsam erschlossen und betrieben, einschließlich einer B 6 neu und einer Straßenbahn, die, so der Vorschlag aus Stuhr, auch über den Flughafen in die Bremer City rollen könnte. Bockhops Urteil: „ein deutliches Signal des Vertrauens“. Armin Simon