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Hoffnungsträger in Hollywood

■ Wo Robert Altman nicht mal zum Casting für Statisten vorbeischauen würde: Die "Swingers" von Doug Liman kämpfen sich tapfer durch Stehpartys, Dates in Wohnwagen und Telefonbüchlein. Das Kompliment der Stunde h

Wenn man Hollywood von innen betrachtet, wie es Robert Altman mit „The Player“ getan hat, dann schrumpft der prunkvolle Planet schon mal auf die Größe eines Vorgartens zusammen, und statt der Stars bleiben ein paar einsame, zickige Randgestalten übrig, die nicht zum wirklichen Leben taugen. Von außen aber sieht das Elend immer noch sehr spannend, schön und aufregend aus, das weiß auch Altman. Doug Limans „Swingers“ spielt ungefähr drei Ligen tiefer, auf Bezirksebene vielleicht.

Allerdings geht es dort, wo ein Regisseur à la Altman nicht einmal mehr zum Casting für seine Statisten vorbeischauen würde, ähnlich launenhaft unter den Beteiligten zu wie in der Oscar-Preisklasse. Man kennt solche Fußnoten zum niederen Studioalltag zwar aus Tom de Cillos „Living in Oblivion“, doch bei Liman kommt es gar nicht erst zum Dreh. Seine Helden träumen noch von Glanz und Ruhm in Hollywood.

Die Geschichte für sein Spielfilmdebüt „Swingers“ hat tatsächlich ein guter Bekannter von Liman geschrieben, der damit immerhin an seine ganz große Filmrolle gekommen ist. Bisher war Jon Favreau vor allem als Drehbuchautor aufgetaucht oder als Knallcharge in „Batman Forever“. Jetzt kann man ihm und seinen vier Kumpeln dabei zusehen, wie sie sich auf der Suche nach einem Filmjob durch allerlei Stehpartys, Bars und Telefonbüchlein kämpfen. Am Ende fällt für Mike ein kleiner Nebenpart in „Deep Space Nine“ ab – und die dann doch ganz große Liebe. Auch das bescheidene Happy-End, das Altman bei seiner Abrechnung vergessen hat, paßt irgendwie zur Wirklichkeit der Traumfabrik.

Dabei ist Mike zunächst bloß ein mittelmäßig talentierter Mime, der von einer Off-Bühne am Broadway nach Los Angeles gespült wurde. Sein ganzer Bekanntenkreis besteht aus solchen Existenzen, die sich seit Jahren mit Werbespots über Wasser halten müssen und trotzdem beharrlich darauf warten, daß sie ein Tarantino entdeckt – oder eben Robert Altman (bei Vince Vaughn, der Mike als sein bester Freund Trent zur Seite steht, war es übrigens Steven Spielberg, der ihn für „Jurassic Park II“ engagiert hat). Mike allerdings geht eher halbherzig zur Sache, weil er in New York von seiner langjährigen Braut sitzengelassen wurde. Während die anderen auf ihren Agenten hoffen, hört er stets nervös seinen Anrufbeantworter ab und wird doch auch nur täglich aufs neue enttäuscht.

Der Job, die Frauen, das alles gestaltet sich recht aussichtslos und manchmal sehr vergnüglich. Man fährt nach Las Vegas und landet sogar vielversprechend bei zwei netten Kellnerinnen im Wohnmobil. Aber selbst im fruchtbaren Augenblick muß Mike doch wieder telefonieren, und damit ist es auch um Trents überaus zielstrebig eingefädelte Sextherapie geschehen.

Ganz klar, daß sich Mike mit seinem Beziehungsblues bald vom vermeintlichen Hoffnungsträger in Hollywood zum Klotz am Bein seiner Clique entwickelt: Fast kommt es zur Schießerei, weil die Kumpels auf ihre Art mitleiden. Später sitzen die hitzköpfigen Buddies zwar beim Videospiel zusammen, doch Mike fühlt sich immer noch ganz furchtbar einsam.

Obwohl Liman seine Loser- Love-Story etwas zu ausgiebig erzählt, dreht sich „Swingers“ um ein diffuses amerikanisches Lebensgefühl der späten neunziger Jahre. Während früher Yuppies um Frauen und Marktanteile gekämpft haben oder Slacker nichts mit ihrem Leben anzufangen wußten, versuchen sich Limans Figuren gegenseitig ein wenig in ihrer Wartestellung aufzubauen – auch wenn die Reaganomics bis in den Smalltalk vorgedrungen sind. Wer es in Hollywood geschafft hat, wird mit „You're so money“ begrüßt. Das ist mehr Anerkennung als Sympathie.

Andererseits kreist der Film um Swing und Stil der vierziger Jahre, die derzeit in Amerika einen mittelschweren Boom erleben. In den Kneipen wird Jive oder Jitterbug getanzt, gepunktete Tellerröcke flattern zu Count-Basie-Melodien durch die Luft, und Männer tragen ihren Hut schief in die Stirn gezogen. Zugleich parodiert Liman jedoch den Kult um das entsprechende Film-Noir-Revival: Wann immer seine Gang aus Kleindarstellern bei einer Party auftaucht, trotten sie in Tarantino-Formation durch die Szene. Irgendwann löst sich der Witz in einer Kneipe auf, wo man sich gegenseitig von den größten Filmen aller Zeiten vorschwärmt. Als endlich der magische Name fällt, entgegnet einer aus der Runde etwas betrunken, daß Tarantino für „Reservoir Dogs“ doch bei Scorsese abgekupfert hat. Darauf ein anderer: „Ach was, irgendwo muß eben jeder abkupfern.“

So ist das in Hollywood. Harald Fricke

„Swingers“. Regie: Doug Liman. Mit Jon Favreau, Vince Vaughn, Alex Desert, Heather Graham u.a. USA 1996, 96 Min.

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