■ Press-Schlag: Hoffnungloser Fall
Alle wollen Sieger. Und selbst wer geschmäcklerisch Verlierer bevorzugt, möchte natürlich den romantischen Untergang nach großer Geste oder das Drama tragischen Scheiterns. Wer aber möchte den VfB Leipzig?
Leider ist die Antwort ganz einfach: niemand! Oder, um den Vorwurf der haltlosen Überspitzung auszuräumen, ungefähr fünfhundert Vereinsmitglieder und der innere Zirkel von fünftausend Anhängern leiden mit dem Club. Ein für Bundesligaverhältnisse vergleichsweise intimer Kreis. Und es steht zu befürchten, daß er sich nicht wesentlich vergrößern wird. Denn beim VfB Leipzig scheint es sich um eine besondere Spezies zu handeln, die es in jeder Spielzeit nur einmal gibt: die schlechteste Mannschaft der Bundesliga. Wir reden dabei nicht von operettenhaften Querelen im Verein, die Mannschaften in den Orkus stürzen lassen. Es sind auch nicht tragisches Verletzungspech oder andere schicksalhafte Verkettungen gemeint. Es geht allein um Qualität. Und wenn die fehlt, dann merkt man es.
So stand Leipzigs freundlicher Spielmacher Steffen Heidrich nach dem Abpfiff in Leverkusen in den Katakomben des Ulrich-Haberland- Stadions und versuchte sich Hoffnung einzureden: „Sicherlich sind fast alle anderen Bundesliga-Mannschaften spielerisch besser als wir, da müssen wir uns eben auf andere Qualitäten besinnen.“ Aber auf welche? Bemüht hatten sie sich wirklich, wacker gekämpft, und nach einer Viertelstunde hatte Heidrich sogar ihre Führung erzielt. Die Gastgeber zeigten sich trotzdem weiter desinteressiert am Gegner, nicht nur sportlich. Bis zum Schlußpfiff stand des Torschützen Vorname falsch auf der Anzeigetafel, das zweite „f“ blieb unterschlagen. Und während die Leipziger noch träumten („Da hatten wir uns was ausgerechnet. Wann führt man auswärts schon mal?“), hoben die Bayer-Profis nach einer Stunde ihre Bemühungen etwas über das Niveau von Dienst nach Vorschrift. Schon stand es 3:1, und das Spiel war entschieden.
Auch danach von Aufgabe keine Spur beim VfB, geradezu rührend waren ihre Bemühungen und doch bereits jetzt von einer gewissen Aussichtslosigkeit umweht. Dabei sind sie nicht einmal Tabellenletzter und momentan nur zwei Punkte von einem Nichtabstiegsplatz entfernt. Aber auf Dauer werden sie wohl im traurigen Kreislauf des Desinteresses verlorengehen. Weil das Team nicht erfolgreich und spektakulär spielt, gewinnt es keine neuen Anhänger. Da Tradition und Volksverbundenheit beim ehemaligen FC Lok fehlen, gibt es keine eingespielten Rückkoppelungen zum Team. So ist der VfB Leipzig zum spielerischen Unglück auch noch das Kassengift der Liga – und das sogar für den eigenen Schatzmeister. Aber, so Steffen Heidrich: „Es ist noch Hoffnung!“ Nur, worauf? Christoph Biermann
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