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Hör-Funken

■ Ein Zeitkind

Hör-Funken

Große Zampanos. Herbst 1967: In die Friedlichkeit eines Studios beim WDR hatten sich zurückgezogen die kritischen Ordinarien Peter Szondi und Theodor Adorno, um in aller Ruhe und ungestört von etwaig höhnenden Kommunarden Fragen der Universitätsreform erörtern zu können. Wenige Tage zuvor war es bei Adornos Vortrag in Berlin („Der Klassizismus von Goethes Iphigenie“) zu kleineren Flugblattverteilungen, Tumulten und Teddybärüberreichungen gekommen Spruchbandparole etwa war: „Berlins linke Faschisten grüßen Teddy den Klassizisten“. In der Abgeschiedenheit des Studios war aber um vieles höflicher die Unruhe an den Universitäten zu besprechen - Adorno: „Gut, ich möchte nur nicht, sozusagen, das Mikrophon monopolisieren.“ Und nachtragend war Adorno keineswegs, sondern voll des Verständnisses, was die Nöte der Jugend und auch die Schwierigkeit anbelangt, über sie zu sprechen. Er begann: „Da gibt es auf der einen Seite die Möglichkeit, daß man onkelhaft mit sogenanntem lächeldem Verständnis von den 'jungen Leuten‘ redet und daß man dabei in jene abscheuliche Denkgewohnheit gerät, die da zwischen einem 'gesundsen Kern‘ und 'übertriebenen‘ oder 'ungesunden Randphänomenen‘ unterscheidet. Eine Haltung, die ich um keinen Preis einnehmen möchte, umso weniger, als mir der Wahrheitsgehalt des Satzes von Gustav Mahler gegenwärtig ist, daß die Hörner, die wir uns abstoßen sollen, meist das Beste an uns sind.“ Wir schön, wahr und feinsinnig gesprochen. Der SFB sendet das Gespräch zur Erbauung und Belehrung der Nachwelt endlich einmal wieder: 2015 - 2115, SFB 3

Ein Zeitkind. Nach Horvaths Roman Ein Kind unserer Zeit spricht die unvergleichliche Vorstadt-Straßeneckersteher -Stimme Hans Brenners die Rolle dessen, der den geradlinigen Weg vom Arbeitslosen zum Soldaten und vom Soldaten zum Invaliden abreißt. Zurück in der Stadt, findet er den Rummelplatz nicht wieder, wo er das Mädchen sah, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Die sitzt im Gefänngis, wegen Abtreibung. Den kalten Buchhalter, der sie aus ihrer Stelle entließ, schlägt er nieder. Die Welt ist ohne Hand und Fuß, aber voller Kälte. Die zweiteilige Hörspielfassung von Horvath in seinem Todesjahr 1938 publizierten Roman gibt es: 2000 - 2120 und morgen 2005 - 2135, Bayern 2up

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