Hoeneß' geheimes Tagebuch 5+6: Endlich frei

Der „Steuer-Strolch“ hat Ausgang. Geheime Notizen über Knauser-Kalle, Schwafel-Sammer und den kommenden Weihnachtsurlaub.

Willkommen in Freiheit, Uli! Bild: dpa

Mein liebes Tagebuch

24. August 2014

Lese jetzt sehr viel. Zieht mich aber irgendwie runter. Vielleicht liegt's ja an den Titeln. „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“, „Der Trinker“, „Archipel Gulag“, „Ist das ein Mensch?“ und solche Sachen. Die Bibliothekstante hatte mir die Bücher empfohlen – mit dem Satz: „Das könnte Sie in Ihrer Lage durchaus interessieren.“ Ich hab das für eine nette Geste gehalten, aber jetzt bin ich doch stinkwütend auf diese Staubmilbe, denn sie wollte sich nur lustig machen über mich. Denke ich mal. Wobei: Verglichen mit denen da in den Büchern geht's mir doch blendend. Oder? Bin jetzt nicht mehr so wütend. Hat ja auch Vorteile, nicht beim Russen oder Adolf eingeknastet zu sein. Der Name Hoeneß tut in einer JVA seine Wirkung. Die erziehe ich mir schon noch alle in meine Richtung.

26. August 2014

In unregelmäßigen Abständen erreicht die taz ein Kassiber aus der JVA Landsberg. Es handelt sich um geheime Tagebuchaufzeichnung von Uli Hoeneß, der dort wegen Steuerhinterziehung einsitzt. Der Bayern-Boss kommt erst Anfang 2016 frei – und will bis dahin weiterschreiben, heißt es aus gut informierten Knastkreisen.

Bisher sind erschienen:

Teil 1: Heimat im Darm schmecken

Teil 2: Gesprengte Ketten

Teil 3+4: Keine Gewöhnung. An gar nichts

Wo wir schon bei Büchern sind: Es gehört ja zu einer bewährten Marketingstrategie, die eigenen schlappen Ergüsse mit Promi-Geschichten aufzupeppen. Aber muss es immer ich, also der Hoeneß, sein, mit dem aufgepeppt wird? Wie ich hörte, hat jetzt auch die Weishäupl, also die alte Schachtel von der Wiesn, ein paar Blätter zwischen Buchdeckel pappen lassen. Da muss sie natürlich die Episode von damals aufwärmen, als ich einen FC-Bayern-Fanshop auf der Wiesn aufmachen wollte und sie, die Weishäupl, partout nicht mitzog. So was von bockbeinig, die oide Schäsn!

Komm ich heute noch nicht drüber weg. Damals hab ich ihr ordentlich den Marsch geblasen. Hat sie aber nicht interessiert, die Wiesn-Gabi. Wegen so einer Halsstarrigkeit sollte die Justiz mal tätig werden und Leute wegsperren. Wenigstens wurde sie, also die Justiz, mit dem Erpresser fertig, der mich um gut 215.000 Euro erleichtern wollte. Der Depp. Fällt im doppelten Sinne auf die Schnauze. Erst mit dem Fahrrad nach der fingierten Geldübergabe und jetzt vorm Kadi. „Ihre Haftzeit wird kein Zuckerschlecken.“ Der Depp. Da kennt er aber die bayrischen Justizbeamten schlecht. Alles Bayern-Fans. Ergo: Hoeneß-Fans. Gut, ein paar Blaue sind schon auch dabei.

29. August 2014

Heute Morgen war Pep da. Hab ihn mal zum Rapport bestellt. Konnte ja nicht so weitergehen. Der Pep macht ja aus dem FC Bayern noch den FC Paella. Kauft ein wie eine Spielerfrau auf Koks, zuletzt diesen Dings, äh, Mehmet Benatio und davor den altersschwachen Xabi Alonso. Und wen geben sie weg? Den Toni Kroos für eine lächerliche Summe. Nicht mal 30 Millionen. Ja, spinnt's ihr langsam, da in der Säbener Straße, hab ich dem Pep ins Gesicht geschleudert. Der ist ein bisschen blass geworden und hat etwas vom Triple 2015 geflüstert. Der Franck, also der Ribéry, den der Pep mitgenommen hat, riss einen Witz, von wegen: je oller, je doller. Aber den hab ich auch gleich mal rund gemacht, den Franck. Der soll mal lieber fit werden. Eines ist mir nach dem Treffen klar geworden: Der FC Bayern braucht mehr denn je einen Uli Hoeneß. Dringendst. Ich hab kein gutes Gefühl für diese Saison, gar nicht.

3. September 2014

Was treibt der Franz, also der Beckenbauer, da eigentlich mit seinem „Camp Beckenbauer“? Läuft da noch was anderes als Zechprellerei im Stangl-Wirt? Vor ein paar Wochen stand der noch auf der schwarzen Liste bei der Fifa, und jetzt kommt sogar der Blatter ins Camp. Wenn das so gut klappt mit der Rehabilitation und Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft, dann veranstalte ich Ende 2015 ein „Camp Hoeneß“ mit allem Pipapo und Drumherum. Wäre doch gelacht, wenn ich den Platini und die Merkel nicht bekommen sollte. So ein Comeback will ja von langer Hand geplant werden. Sehe das Szenario schon vor mir. Oh Gott, wird das schön. Ich bin noch lange nicht fertig. Hier muss noch einiges fertig gemacht werden. Und einige.

6. September 2014

Heute Jägerschnitzel zu Mittag. Panierte Pappe. Gestern gab's Linsensuppe. Ziemliche Plörre. Aber seit ich in der Kleiderausgabe steh, hab ich einen Mordskohldampf. Ich könnte ein halbes Kalb verdrücken. Das ist doch ein gutes Zeichen. Oder? Meine Susi sagt Ja.

12. September 2014

War gar nicht so einfach, die 30 Mille für den Fiskus zusammenzubekommen. Der Franz hat mir ein bisschen was geliehen, der Günter auch. Den hab ich bei seinem Besuch hier in Landsberg ganz schön was aus dem Kreuz geleiert. Tja, Geben und Nehmen, nach diesem Motto läuft’s ollaweil. Kalle hat sich ein bisschen angestellt, der alte Knauserer. Schön, dass es nach ein paar Problemen auch mit der Überweisung von den Cayman Islands geklappt hat. Der Horst hat da ein bisschen was gedreht. Mein Anwalt sagt immer: Niemand kann zweimal für das gleiche Vergehen verurteilt werden. Gut so. Ich vertraue dem deutschen Rechtssystem eh voll und ganz. War das nicht ein schöner kurzer Prozess, so in der Rückschau! Bald bin ich eh frei. Also für ein paar Stunden, hat mir die Anstaltsleitung signalisiert. Schweinsbraten mit Serviettenknödeln, ich komme!

16. September 2014

Ja, ist der denn deppert, der Sammer!? „Hoeneß hat sich eine kurze Auszeit genommen.“ Wie bitte? Mein lieber Matthias, wollen wir tauschen? Brauchst du auch mal eine kurze Auszeit, vielleicht in Bautzen, du Schwafelossi? Und mir „stehen alle Türen offen“, hat er noch gesagt, der Mahnsinnige. Noch so ein Schmarrn. Keine einzige Tür steht mir offen, wenn nicht der Schlüssel eines JVA-Beamten im Schloss steckt. Keine einzige. Das ganze Motivationsgequatsche hat ihn offenbar in der Birne mürbe gemacht. Du, Matthias, mich musst du nicht motivieren, ich bin’s schon immer gewesen! Wenn die Millionarios träge werden, kannste denen einen Tritt in den Hintern verpassen, allein dafür bezahlen wir dich ja, aber bittschön, lass mich raus aus deinem Motivationstheater für Arme. Oder glaubt er jetzt, da ich übergangsweise in der Jugendabteilung der Bayern anfange, damit das mit dem regelmäßigen Freigang auch hinhaut, dass er mir auf der Nase herumtanzen kann? Das ist doch nur zum Schein, das mit der Jugendabteilung. In Wirklichkeit bin ich schon wieder Präsident, der heimliche zwar, aber egal. Boss ist Boss. Und so einer, also ein Hoeneß, steht doch nicht am Kopierer in der Jugendabteilung. Ist so ähnlich wie bei McDonald’s: Da kümmert sich der Chef ja auch mal um die Brätlinge oder verkauft Cheeseburger an der vordersten Front.

19. September 2014

Bin nervös. Morgen erster Ausgang. Ob ich’s noch bringe?

21. September 2014

War ein großer Tag. Etwas voreilig hat die Bild getitelt: „Hoeneß in Freiheit.“ Aber ich bin weder frei, noch wurde ich gekidnapt. Schön war’s, mal wieder was anderes zu erleben. Den Ledergeruch im Audi, das Parfüm von der Susi, das Schleckern vom Kuno. Die Ansprache. Die Berge. Das satte Grün. Die Heimat. Bad Wiessee. Der Duft … wobei. Den Schweinsbraten hat’s dann gar nicht gegeben. Die Susi hat was „Gesundes“ gekocht, jawohl, was Gesundes. Na ja, sie bemüht sich halt sehr. In Landsberg würden die ja immer so einen Schaaß auf den Tisch bringen, meinte die Susi, da wollte sie mir mal eine Lachslasagne kredenzen mit einem schönen Insalata primavera. War so verärgert, dass ich verfrüht zurückgefahren bin in die Anstalt. War dann 40 Minuten zu früh wieder da, leicht angeschickert von der Flasche Chateau Margaux. Und siehe da, dort wartete sie schon auf mich, die Nachspeise vom Mittagessen, die mir der Essens-Franz aufgehoben hatte. Ein herrlicher Schokopudding. So schlecht ist es hier gar nicht. Man muss sich nur arrangieren können. Und wenn das einer kann, dann ich, also der Hoeneß.

27. September 2014

Susi ist noch immer sauer. Auch weil ich am letzen Samstag bei meinem Freigang die ganze Zeit Börsennachrichten studiert hab. Und weil ich, da die Börse ja geschlossen war, wie blöde im Netz auf Fußball gewettet habe. Warum gönnt sie mir diesen Spaß nicht? Geht aber auch im Knast, das Wetten. Alles geht hier, bis auf Weiber. Und heute ist wieder Bundesliga. Im Gemeinschaftsraum wird geguckt. Ich nehme ab heute keine Einsätze von säumigen Wettern mehr an. Hammer-Ede hat das den Jungs klargemacht, auf seine unnachahmliche Art. Viele Worte hat er nicht verloren. Die Jungs haben das sehr schnell kapiert.

4. Oktober 2014

Der Vontobel-Short läuft wunderbar. Lange geht das eh nicht mehr gut mit dem Draghi an der Geldpumpe. Aber solange die Kohle auf mein Konto gepumpt wird, ist das schon okay. Hab nun auch Weihnachten klargemacht. Heimaturlaub über die Feiertage. Bin schon am Geschenkebasteln.

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