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■ Ski alpinHöllenabfahrt

St. Christina (dpa) – Der lebensgefährlich verletzte Italiener Giorgio Piantanida war im Dezember 1989 das schwerste Sturzopfer in der langen Unfallserie auf einer der schwersten Skirennstrecken der Welt. Die berüchtigte Abfahrt in St. Christina ist seitdem nicht mehr ins Gerede gekommen. Die Leute im Südtiroler Grödnertal aber trauen dem Frieden nicht. Vor den Weltcuprennen am Freitag und Samstag sind die Ärzte in Alarmbereitschaft, die Kliniken in Bozen und Brixen für Notaufnahmen vorbereitet.

Der Österreicher Werner Grissmann und Dave Irvin (Kanada) waren 1978 die ersten Sturzopfer. Seitdem vergingen zwölf Jahre mit weiteren zum Teil schweren Unfällen, bis sich die örtliche Rennleitung durchrang, Hand an die 3.446 Meter lange Strecke unterhalb des berühmten Langkofel-Felsmassivs zu legen. Im Sommer 1990 wurde die „Saslong“-Piste unter Aufsicht des Internationalen Skiverbandes (FIS) massiv „ummodelliert“: Der zweite der drei Kamelbuckel wurde um sechs Meter talwärts verschoben, der dritte wurde abgehobelt, und die an ein Wellblech erinnernde Ciaslat-Wiese wurde eingeebnet.

Die gewaltigen Sprünge über die Kamelbuckel waren entschärft. Dennoch: Selbst Spitzenfahrer wie Marc Girardelli („Lieber auf Platz 30 als im Krankenhaus“) wichen den verhängnisvollen „Hockern“ aus und wählten den von den Österreichern als „Nasenbohrerlinie“ verspotteten Umweg. Die größte Gefahr der „Saslong“ aber blieb die Geschwindigkeit. Im vorigen Dezember raste der Schweizer William Besse im D-Zug- Tempo von 105 km/h ins Ziel und erzielte einen neuen Streckenrekord. Ein Tempostopp ist nicht geplant. „Wenn noch mehr entschärft wird, schreien alle ,Kinderabfahrt‘“, sagt FIS-Generalsekretär Gian-Franco Kasper, „das ist eine ständige Gratwanderung.“

„Jetzt packen's alle“, sagen heute die Verantwortlichen im Grödnertal. Doch viele glauben nicht an schöne Worte. Die Unfallserie zwischen 1978 und 1989 hat ihre Spuren hinterlassen.

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