■ Herr Quadbeck ermittelt Miss Formel1: Höhepunkte in der Marktpassage
„Am Donnerstag nachmittag findet im Rahmen unserer Formel-1-Präsentation das Highlight der Woche statt: Die Wahl der Miss Formel 1. Mitmachen können alle schönen Mädels aus Apolda. Es winken attraktive Preise im Wert von mehreren tausend Mark.“
Der Donnerstag war ein bedeutender Tag in Apolda. Schon früh am Tag hatte sich das interessierte Publikum in der gläsernen Marktpassage versammelt. Es sollte eine dieser farbenfrohen Werbeveranstaltungen werden. Die Spannung begann zu steigen. Runde um Runde umschlich das interessierte Publikum drei ausrangierte Rennautos.
Das Highlight der Formel-1- Woche in der Marktpassage ließ sich unterdessen Zeit. Herr Quadbeck, ein älterer Mann mit eingezogenem Kopf, setzt sich auf eines der breiten Räder eines Rennautos, in dem Michael „Schumi“ Schumacher Weltmeister geworden sein soll. Herr Quadbeck ist ein wichtiger Mann. Für die Moderation des Highlights hat man ihn extra aus Köln kommen lassen. Bis zum Defilee der schönen Apoldaer Mädels hält er das interessierte Publikum bei der Stange, macht Bingospiele mit ihm, läßt es Formel-1- Mützen gewinnen, bedruckte Sofakissen und den Bitburger-Preis.
Überhaupt gibt es hier viel Bier. Gegenüber der Formel-1-Bühne steht eine halbrunde Wand aus Bitburger-Kisten. Denn die Bierbrauerei darf ihren Aufkleber auf dem Auto von Schumi über die Rennstrecken der Welt fahren lassen. Für zwölf Millionen. Dafür sollen ihr Name und Produkt in aller Munde sein. Und darum muß Herr Quadbeck recht oft „Bitburger“ sagen an diesem Nachmittag. Alle halbe Stunde macht Herr Quadbeck ein sagenhaftes Angebot: Ein Kasten Bitburger zu 17,98 Mark für die nächsten vier Kunden. Aber die Kunden in der Marktpassage schenken dem Brauereistand nur mäßige Aufmerksamkeit. Allein ein halbes Dutzend Jugendliche mit weiten Hosen und Handys an den Gürteln lungert an den Biertischen herum und ist cool. Ein Mann in Jogginghose steht etwas abseits. In der einen Hand einen Beutel, in der anderen eine Videokamera, zeichnet er die letzten zwei Minuten von Herrn Quadbecks Bingospiel auf.
Vor dem Absperrseil rennen zehn kleine Jungen auf und ab und machen die Geräusche von Motoren und quietschenden Reifen nach. Herr Quadbeck bietet gerade wieder mal den preiswerten Kasten Bitburger wie sauer Bier an, da verursachen die kleinen Jungs einen Unfall und fahren die beiden Papp-Schumis rechts und links der Bühne tot.
Herr Quadbeck tupft sich den Schweiß von der Stirn: „Es haben sich erst drei Kandidatinnen gemeldet für die Miss-Wahl. Anfang der Woche waren es noch sieben. Aber dann hat die Mädels der Mut verlassen. Dabei müssen sie sich noch nicht mal ausziehen. Es gibt doch tolle Preise ... Und das bei jeder einzelnen von unseren 35 Veranstaltungen im Jahr ...“ Vier davon hat das Formel-1-Promo- Team schon geschafft. Seinen Erfolg mißt Herr Quadbeck an den 380.000 Leuten, die in den Supermärkten gerade einkaufen gegangen sind, wenn er seine Formel-1- Show präsentiert hat. Besonders gern denkt er an die Mädels zurück, die im Erfurter Einkaufszentrum Miss Formel 1 werden sollten. Herr Quadbeck kommt ins Schwärmen: „Eine schöner als die andere.“
In der Zwischenzeit hat das interessierte Publikum Aufstellung genommen. Um die Bühne herum wird es hektisch. Der Mann mit dem Beutel und der Videokamera ist wieder da und nimmt alles auf. Zum Glück haben sich noch zwei Missen gemeldet. Die beiden sind tatsächlich aus Apolda, sehen aber verunsichert aus im Vergleich zu den dreien, die schon vorher da waren. Die sind langbeinig, tragen bauchfrei, und mit ihren braunen, schwarzen und blonden Haaren ist für jeden Geschmack etwas dabei – wie bei einer vernünftigen Boygroup.
Herr Quadbeck sagt, man habe die drei in der Erfurter Fußgängerzone ansprechen müssen, weil es in Apolda nicht genug Anmeldungen gegeben hat. Vor der Bühne rennen immer noch die kleinen Jungs hin und her und geben sich Arschtritte.
Die beiden Mädels aus Apolda haben Jeans und Pullover an und sehen aus wie du und ich. Der Rest ist schnell erzählt: Die Missen müssen ihre Maße aufsagen, Fragen zur Formel 1 beantworten und eine halbe Minute lang zu Diskomusik aus den Lautsprechern tanzen. Die Erfurterinnen sind possierlich und blecken die Zähne für die Fotografen der Lokalpresse, die Apoldaerinnen nicht. Das Formel-1-Fachwissen der Erfurterinnen ist bescheiden, die eine Miss aus Apolda weiß dagegen etliches.
Dann soll die Jury entscheiden. Zwar kommt ihr das interessierte Publikum mit seinem Lokalpatriotismus in die Quere – es will die Missen aus Apolda gewinnen sehen. Aber die Männer, die Herr Quadbeck zur Wahl der Schönsten der Schönen mitgebracht hat, lassen die fröhlichen, dünnen Erfurterinnen nach Monte Carlo und ins Altmühltal fahren. Immerhin: Die eine Miss aus der Kleinstadt mit dem recht ordentlichen Wissen im Rennsport mußte man wenigstens in die Eifel lassen – zum Nürburgring, ganz in der Nähe der Bitburger Brauerei. Text und Foto: Betti Apitz
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