: Hochzeit in der Wüste
In Arabien wird erwogen, Schwule wieder zu „richtigen“ Männern zu machen – mit einer Testosteron-Behandlung
Man traf sich auf einer Hoteletage in Ghantut, eine Ortschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Überliefert wird, dass die Gäste, die dort zu einem Feld geladen waren, sich schön gemacht haben. 22 Einheimische sowie ein Inder und drei Männer aus Saudi-Arabien. Doch plötzlich war es mit der Feierlichkeit vorbei – denn ihre Gesellschaft wurde von einem Polizeikommando überfallen: Denn was sie im privaten Rahmen zelebrierten wollten, war, schon in seinen individuellen Voraussetzungen, verboten – und moralisch obendrein schwer verpönt: eine, wenigstens symbolisch kostbare, Hochzeit zweier Männer. Die Nachrichtenreporter der BBC berichten, die Ordnungsmacht habe beobachtet, dass zwölf der 26 Männer in Textilien gekleidet waren, die gewöhnlich nur Frauen tragen. So weit, so schlecht: andere Kultur, andere Sitten – Homosexualität ist eben in den allermeisten arabischen Staaten strikt verboten. Eine Hochzeit zweier Schwuler? Das war der Gipfel! Der Innenminister der VAE äußerte sich unmissverständlich: „So etwas ist bei uns nicht erlaubt.“
Die Ausländer wurden derweil aus dem Land gewiesen – interessanter aber ist, auf welche Weise die Inhaftierten sich von ihrer zu erwarteten Strafe (Peitschenhiebe, also sadistische Folter; Knast) lösen, mindestens sie mildern können: Indem sie einer Hormontherapie mit Testosteron zustimmen. Von der cancerogenen Wirkung übermäßigen Dopings mit dem Männlichkeitshormon weiß man in der Kraftsportlerszene ja seit langem. Wichtiger ist zu notieren, welche Phantasie hinter dieser Geste des Goodwills sich verbirgt: eine, die Homosexuellen unterstellt, keine Männer zu sein, nicht über die entsprechenden Hormone zu verfügen.
Ein Phantasma also, das man hierzulande auch kennt, und zwar facettenreich. Die einen denken, Schwule seien Gottes Strafe oder die leibhaftige Lästerung seiner selbst; andere finden, sie hätten Angst vor Frauen und könnten deshalb keine Genitalität mit dem biologisch anderen Geschlecht eingehen. Im arabischen Kontext favorisiert man, die Rehabilitationsidee beweist es, die medizinisch-hormonelle Theorie. All diesen Annahmen ist gemein, dass sie Schwules (oder Lesbisches, klar) für unmännlich halten: Ein echter Kerl nutzt seinen Penis nicht für seinesgleichen, sondern nur als Stecker für echte Dosen: der Prokreation wegen.
Das US-Außenministerium hat nach der skandalösen (für die Nomenklatur der VAE) Geschichte protestiert: Man billige solche Vorgehensweisen nicht, weder die Verhaftung noch den hormontherapeutisch skizzierten Alptraum.
Und: Bekanntgeworden ist auch, dass ein Polizist während der Razzia mit seinem Handy Fotos von den Festgästen machte. Offen ist nur: Wollte er sie denunzieren, mit den Fotos Geld verdienen – oder sich selbst aufgeilen, und sei es ganz für sich? JAF