piwik no script img

Hitzebeständige Siegesgier

■ Steffi Graf und Ivan Lendl gewinnen die Australian Open / Graf sowieso, Lendl wieder Spitze

Berlin (taz) - Die jüngste Zwischenzeit im Herrentennis währte nur 140 Tage. Der bei den US Open in Flushing Meadow gestürzte Herrscher über Netz und Doppelfehler, Ivan Lendl, gewann am Sonntag zum ersten Mal in seiner Karriere die „Offenen Australischen Tennismeisterschaften“ in Melbourne und verdrängte damit Mats Wilander vom ersten Platz der Weltrangliste.

„Es ist schön, wieder die Nummer Eins zu sein“, sprach der 28jährige Tschechoslowake nach dem glatten 6:2, 6:2, 6:2 -Sieg über seinen völlig chancenlosen Landsmann Miloslav Mecir, „doch mein erster Titelgewinn hier ist mir viel wichtiger.“ Wenn man etwas zum ersten Mal gewinnt, sei es etwas ganz besonderes, meinte Lendl, es mache einen „begieriger und begieriger, noch mehr und mehr zu gewinnen.“

Die Art, wie Ivan Lendl diese Australian Open dominierte und keine Sekunde lang in die Gefahr des Strauchelns geriet, legt den Verdacht nahe, daß er seinen Platz an der Spitze wohl so bald nicht mehr räumen wird. Nach dem Triumph in Melbourne fehlt ihm in seiner Sammlung von Grand-Slam -Trophäen nur noch der Pokal von Wimbledon - und eben der Grand Slam höchstselbst. In diesem Jahr scheinen Lendls Sterne für beide Vorhaben so günstig wie nie zuvor zu stehen.

Mats Wilander hat offensichtlich keine rechte Lust mehr, Boris Becker und Stefan Edberg sind ziemlich unbeständig, Andre Agassi schleppt noch sein beschränktes Schlagrepertoire als Handicap herum, Pat Cash ist völlig „down under“, und die Zeiten, in denen Lendl einen John McEnroe fürchten mußte, scheinen endgültig vorbei zu sein.

Andererseits besitzt auch Lendl seine verwundbaren Stellen, und zwar mindestens so viele wie Achilles und Siegfried zusammen. Seine Verbissenheit spielt ihm manchen Streich, die Netzkante ist ihm nicht immer hold und im übrigen wird er in einem großen Finale selten auf einen Gegner treffen, der sich wie Mecir gleich zehn Doppelfehler gestattet.

Steffi Graf ungefährdet

Eine ähnliche Siegesgier wie Lendl entwickelt im Tennisgeschäft nur noch eine Person: Steffi Graf. („Ich habe diesen Sieg intensiv gewollt.“) Sie holte sich in Melbourne ihren fünften Titel in einem Grand-Slam-Turnier hintereinander und war dabei noch ungefährdeter als ihr tschechoslowakischer Bruder im Geiste. Besonders die Art und Weise, in der sie ihre ärgste Rivalin Gabriela Sabatini abkanzelte, wirft die Frage auf, wer sie wohl daran hindern soll, die restlichen drei großen Turniere des Jahres in Paris, Wimbledon und Flushing Meadow ebenfalls für sich zu entscheiden. Hauptanwärterin Martina Navratilova schied diesmal im Viertelfinale gegen Helena Sukova aus. Sie mußte sich mit dem Doppel trösten, das sie mit Pam Shriver zum siebten Mal in Folge gewann. Die beiden Amerikanerinnen setzten sich gegen Patty Fendick/Jill Hetherington (USA/Kanada) mit 3:6, 6:3, 6:2 durch.

Martina Navratilova war es auch, die das Geheimnis der Grafschen Überlegenheit am treffendsten analysierte. Es sei keineswegs die berühmte Vorhand, sondern „die Fähigkeit, jeden Ball rechtzeitig zu erreichen“. An dieser Gewohnheit ließ sich die 19jährige im Finale gegen Helena Sukova auch von der extremen Hitze nicht hindern. Bis zu 37 Grad im Schatten herrschten in Melbourne, der Bevölkerung wurde per Radio geraten, besser die Häuser nicht zu verlassen und keine Anstrengungen zu unternehmen.

Aber so anstrengend fand Steffi Graf es gar nicht, die mutig angreifende Pragerin mit 6:4, 6:4 vom Platz zu schicken. Der Sieg sei ihr überhaupt nicht schwer gefallen , die Hitze „nicht schlimm“ gewesen. Alles in allem: „Ich habe gut, aber nicht zu gut gespielt.“

Matti

Doppel (Männer): Rick Leach/Jim Pugh (USA) - Darren Cahill/Mark Kratzman (Australien) 6:4, 6:4, 6:4; Mixed: Jim Pugh/Jana Novotna (USA/CSSR) - Sherwood Stewart/ Zina Garrison (USA) 6:3, 6:4.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen