: Historische Fehler
betr.: „Der Hass auf das Andere“ von Christian Schneider, taz.mag vom 8. 6. 02
So interessant der Aufsatz von Herrn Schneider in vielen Punkten war, enthielt er doch einige historische Fehler.
1. Die angeführten kirchlichen Zinsverbote führten mitnichten dazu, dass Christen keinen Zins nahmen, geschweige denn, dass sie nicht im Geldgeschäft tätig waren. 2. Juden waren auch im Geldhandel tätig, die große Mehrheit der Geldhändler im Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren eindeutig „Christen“, oft genug Adelige. 3. In bestimmten Regionen wurden im Mittelalter Handel und Geldhandel rein von „Christen“ getätigt. Lübeck, als „Haupt der Hanse“, hatte bis Mitte des 18. Jahrhunderts keinen einzigen jüdischen Einwohner. Gleichzeitig ist in dieser Periode durchaus Antisemitismus/-judaismus in der Stadt zu verorten. 4. Die Masse der europäischen Jüdinnen und Juden der frühen Neuzeit war arm. Vielfach wurden die wenigen wohlhabenden Juden von christlichen Herrschern durch Sondersteuern „legal“ beraubt. Der angebliche Wucher diente dann als Begründung für diese Aktionen.
All das ist in der historischen Forschung unumstritten und es ist verwunderlich, warum die seit vielen Jahren widerlegte These vom Juden „in der Zirkulationssphäre“ hier wiederholt wird.
SASCHA MÖBIUS, Historiker, Uni Potsdam
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