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Hinz zu Hinz und Kunz zu Kunz

Eso-Astrologie oder private Kulturgeschichte? In seinem leicht hysterischen Dokumentarfilm „The Sweetest Sound“ erkundet der New Yorker Regisseur Alan Berliner den eigenen Namen im Angesicht der Ewigkeit

Was verbindet einen Rechtsanwalt in Columbus mit einem Sozialarbeiter in Seattle, einem Starfotografen in Los Angeles, einem Regisseur in Belgien und seinem Kollegen in den USA?

Der Name Alan Berliner liegt eigentlich auf der nicht besonders aufregenden Schnittstelle zwischen Extravaganz und Allerweltssyndrom, phonetischem Glamour und Hinz und Kunz Trotzdem wollte der New Yorker Filmemacher Alan Berliner eines Tages wissen, was ihn mit all seinen Namensvettern auf diesem Planeten verbindet – oder auch nicht. Herausgekommen ist „The Sweetest Sound“, ein persönlicher Essay über private Semantik und Familienverhältnisse, Individualismus und Sterblichkeit.

Mit dem typischen, zart hysterisierten und stakkatohaften Rhythmus seiner Dokumentarfilme stürzt sich Berliner Hals über Kopf in den amerikanischen, ja globalen Namenspool, befragt Menschen auf den New Yorker Straßen über ihr Verhältnis zum eigenen Namen, besucht Archive, Internetdatenbanken, das Vietnam-Memorial und Holocaust-Gedenkstätten, interviewt seine Mutter, seine Schwester, seinen Vater und besucht die Jahresversammlung der „Jim Smith Society“.

Bereits in seinen Filmen „The Family Album“, „Intimate Stranger“ und „Nobody’s Business“ hat sich Berliner mit amerikanischer und privater Familiengeschichte beschäftigt. Sein Dokumentarfilm „Nobody’s Business“ bestand eigentlich nur aus den Versuchen des Sohnes, seinen halsstarrigen Vater davon zu überzeugen, dass man über ihn durchaus einen Dokumentarfilm drehen kann. Schon damals fand der Alte alle Fragen nach dem Ursprung des Namens Alan Berliner „total bescheuert“.

Vielleicht ist es auch bescheuert, wenn Alan Berliner in New York eine Dinner-Party für zwölf weitere Alan Berliners veranstaltet, sie nach ihren Berufen, Lieblingsworten oder Lieblingsfarben befragt und mit irgendwelchen Frauen auf der Straße über die Namen idealer Heiratskandidaten redet. Andererseits gelangt er über die Antworten wiederum zu verschrobenen Meditationen über die eigene Einzigartigkeit und Vergänglichkeit, über den Namen als kulturelle Kodierung, als phonetisch komprimierte Geschichte und Verankerung in Zeit und Raum. Unter allem lauert Berliners unausgesprochene Angst, dass die Spur, die irgendwann auf unserem Grabstein zurückbleibt, vielleicht doch nur ein überinterpretiertes eso-astrologisches Privatzeichen ist, das irgendwann im anonymen Müllhaufen der Geschichte verschwindet.

Mit seinem Film betreibt er denn auch die unermüdliche semiotische Aufladung eines Namens, der letztlich trotzdem Name bleibt. Sei’s drum: Die nicht nur genealogische Erkenntnis, dass es in diesem Leben zu jedem Hinz einen Hinz und zu jedem Kunz einen Kunz gibt, versprüht in „The Sweetest Sound“ zumindest 60 Minuten lang metaphysischen Balsam über die einsam durchs All flottierenden Seelen.

KATJA NICODEMUS

„The Sweetest Sound“, Regie: Alan Berliner, USA, 2001, 60 Min., fsk-Kino am Oranienplatz, Kreuzberg

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