: Hilft verlogene Wahrheit weiter?
betr.: „Wenig Lust auf Ecstasy“, „Der neue Standpunkt“, taz vom 22. 6. 01
[...] Was bedeutet die These, der Alkoholkonsum der Erwachsenen sei in den letzten zehn Jahren konstant geblieben, wo wir doch gerade aus den Medien erfahren konnten, dass in allseits bekannte Fernsehkommissare gar nicht mehr Alkohol hineingehen würde? Zu behaupten „nicht wenige der über 40-Jährigen haben Drogenerfahrungen“ ist vermutlich ebenfalls lediglich auf illegalisierte Drogen bezogen, sonst wären es nicht wenige, sondern fast alle. Der Gipfel allen Schabernacks ergibt sich dann aus Frau Dribbuschs Drogen-Pädagogik. Statt zu empfehlen, ehrlich und sachlich mit seinem Nachwuchs das Problem zu erläutern, soll eine verlogene Wahrheit weiterhelfen: „Mir wird schlecht davon“, „Es ist langweilig“, „Das ist nur was für Doofe“. Das knüpft in etwa an das Niveau der Drogen-Prävention unserer Ministerien an, die deswegen auch so unverschämt erfolgreich ist.
Vielleicht sollte die taz es einmal mit Gastbeiträgen versuchen, ihre klägliche Ratlosigkeit zum Thema Drogenpolitik zu beseitigen. Da gäbe es kompetente Personen aus fast allen Bereichen unserer Gesellschaft. Soziologen wie Henning Schmidt-Semisch oder Ethnologen wie Christian Rätsch bis hin zu Richtern wie Wolfgang Neskovic hätten sicher eine Menge Intelligenteres zu berichten. [...] STEPHAN HOG, Sprecher der Landesarbeits-gemeinschaft Drogen und Sucht der GAL Hamburg
Bedeutet einen Standpunkt einnehmen lügen und andere verunglimpfen? Nehmen wir unser Kind ernst, wenn wir rumschummeln und ihnen die Story vom Pferd verkaufen, weil wir ihm nicht zutrauen, mit der Vielschichtigkeit des Lebens umgehen zu können? Wie gehen wir als Eltern damit um, dass es keine heile Welt gibt und dass wir selbst schon moralisch verwerflich, ungesund, schwach oder einfach nur dumm gehandelt haben?
Das Drogenproblem ist ein wichtiges Thema und solche Themen haben es in der Regel an sich, nicht durch simple Thesen angemessen behandelt werden zu können. Das müssen Kinder üben, sonst können sie auch als Erwachsene nicht mit komplexen Zusammenhängen umgehen oder es auch mal ertragen, dass Fragen offen bleiben, weil es keine befriedigende Lösung gibt. Ich habe meinem Sohn erzählt, dass das Problem bei den Drogen nicht die Droge, sondern die Sucht des Menschen danach ist. Ich habe ihm gesagt, dass dies die verdammte menschliche (Sehn-) Sucht sei, dem allzu Alltäglichen, dem Anstrengenden, dem Schwierigen ausweichen und entfliehen zu wollen, die letztlich zum Missbrauch von Drogen führt und dass es keinen einfachen, logischen Knopf gebe, auf den man nur zu drücken brauchte, um sich selbst vor der eigenen Dummheit und Schwäche zu schützen. Bestes Beispiel: Ich rauche wieder und will es eigentlich nicht.
KRISTINE TRABANT, Marbach
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