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Hilfssheriffs im Sozialamt Neukölln

■ Sozialhilfeempfänger wurde im Bezirksamt Neukölln wegen einer geringen Reststrafe festgenommen/ Ein Mitarbeiter hatte, gegen geltende Vorschriften, die Polizei informiert

Neukölln. Was sich am Montag letzter Woche im Sozialamt Neukölln ereignete, wird im Hause des Berliner Datenschutzbeauftragten als »nicht zulässig« gewertet. Der 25jährige Sozialhilfeempfänger L. war dort pünktlich zu einem vereinbarten Termin erschienen. Doch als er das Zimmer seiner Sachbearbeiterin betrat, warteten dort drei Kripo-Beamte, um ihn festzunehmen. Ihre Begründung: L. habe noch eine — vergleichsweise geringe — Reststrafe von 18 Tagen à 50 Mark abzusitzen oder abzustottern.

Der verdatterte L. wurde mit einem Zivilwagen zu seinen Eltern gebracht, wo ein Schreiben der Justizkasse lag. Um auf freiem Fuß bleiben zu können, schlug L. vor, dort sofort 500 Mark einzuzahlen — die Summe, die ihm als Sozialhilfe für den Monat noch zustand und ihm jetzt für den Lebensunterhalt fehlt. Er bezahlte, und die Beamten ließen ihn zumindest vorläufig gehen.

Offensichtlich, und so bestätigt es auch Hans-Dieter Mey, Neuköllner CDU-Stadtrat für Sozialwesen und Dienstherr über das Sozialamt, hatte ein Amtsmitarbeiter den mit L. vereinbarten Behördentermin der Polizei auf Aufforderung mitgeteilt. Doch Bedienstete dürfen sich nicht in dieser Weise als Hilfssheriffs betätigen. Sie müssen der Polizei im Rahmen der Amtshilfe zwar die Wohnanschrift eines Klienten mitteilen, dürfen aber nicht den augenblicklichen Aufenthaltsort nennen.

Diesen Standpunkt vertrat jedenfalls der Berliner Datenschutzbeauftragte, als er einen ähnlichen Fall von Datenweitergabe im Kreuzberger Sozialamt zu rügen hatte. In dessen Eingangshalle war im Januar 1988 nach einem Telefonat zwischen Amt und Kripo schon einmal ein Sozialhilfeempfänger festgenommen worden, obwohl der Haftbefehl nicht einmal mehr gültig war. Danach machte sich auch der Berliner Senat die Rechtsauffassung der Datenschützer zu eigen.

Doch manche Behördenbediensteten scheinen immer noch uneinsichtig zu sein. Entsprechend eindeutig wertet Ulrich von Petersdorff, Mitarbeiter des Datenschutzbeauftragten, diesen neuen Fall: »Wenn das so ist wie geschildert, werden wir das beanstanden. Es ist sehr bedauerlich, daß es immer wieder solche Versuche seitens der Polizei gibt.«

Auch Sozialstadtrat Hans-Dieter Mey hätte »in diesem Fall gesagt: keine Meldung, und der Amtsleiter wird in diesem Sinne mit allen Mitarbeitern sprechen«. Für ihn sei das allerdings »eine Frage der Gewichtung der Straftat«: »Einen mutmaßlichen Mörder würde ich nicht laufen lassen.« usche

Der »Arbeitskreis Neue Armut«, der in Neukölln in der Hobrechtstr.18 eine Schuldnerberatungsstelle unterhält, bittet alle diejenigen, die von ähnlich gelagerten Fällen wissen, sich bei ihm zu melden: Tel.: 6249032; Mo, Di, Fr 10-18 Uhr.

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