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Hilfe für Kinder aus Tschernobyl

■ Sowjetische Ärztin hielt Vortrag über die Spätfolgen des Reaktorunfalls / 1,5 Millionen Kinder betroffen

Fehlende Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung, verseuchte Lebensmittel, große wirtschaftliche Schäden: Vor rund 70 ZuhörerInnen zeichnete die Ärztin Larissa Astachowa, stellvetretende Leiterin des radiologischen Instituts der Universität Minsk, ein Bild der Hoffnungslosigkeit als Folge des Gaus in Tschernobyl. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die Energie-und Umweltgruppe Neuenkirchen, die für August 10 Kinder aus der Region Tschernobyl nach Bremen eingeladen hat. Schwanewede war Larissa Astachowas letzte Station einer Reise durch die Bundesrepublik. Ihr Thema: Das Schicksal der Kinder von Tschernobyl. Mit den Vorträgen wollte sie möglichst viel Geld sammeln, um in der Bundesrepublik medizinische Geräte zu kaufen.

Rund 2,5 Millionen Menschen sind vom GAU in Tschernobyl direkt betroffen, davon 1,5 Millionen Kinder. Sie trifft das alles „in besonderer Weise“, so Frau Astachowa. In den Schilddrüsen von Kleinkindern wurden die höchsten Konzentrationen von radioaktiven Bestandteilen aus dem Reaktor festgestellt. Und auch das Immunsystem der Kinder ist schwächer als das von Erwachsenen. Erkältungs- und Viruskrankheiten haben zugenommen. Larissa Astachowa: „Wir mußten immer sofort entscheiden, ob die Kinder unter akuter Strahlenkrankheit leiden.“ Das allerdings war für sie fast unmöglich. Denn es fehlte an medizinischen Geräten und Medikamenten.

Vier Jahre nach dem GAU hat sich nichts geändert. Heute fehlt es den ÄrztInnen vor allem an Ul

traschallgeräten, um z.B. die Schilddrüsen der Kinder zu untersuchen und um Krebsgeschwüre festzustellen. Statt genauer diagnostischer Möglichkeiten müssen sich die Ärzte auf ihr Gespür verlassen. Die ersten Spätfolgen machen sich jetzt bemerkbar: Drastischer Anstieg der Leukämie und genetische Folgen.

Die ZuhörerInnen interessierte vor allem, wie Astachowa die aktuelle Lage einschätzt: „Wären die Folgen bei besserer medizinischer Behandlung die gleichen?“ Und: „Wie kann man sinnvoll helfen?“ Larissa Astachowa: „Bei rechtzeitiger Behandlung jedes Kindes kann man die Entwicklungsstadien der Leukämie rechtzeitig erkennen und entsprechend behandeln.“ Sinnvoll helfen könne man besonders durch mehr medizinische Geräte

und Ärzte. Und die gemeinsame Behandlung der Kinder vor Ort müsse organisiert werden. „Viele Kinder sind seit dem Unfall nicht mal untersucht worden.“

Die zehn Kinder aus der Umgebung des Tschernobyler Schrottreaktors werden auf Initiative der Energie- und Umweltgruppe Neuenkirchen in Zusammenarbeit mit der Paul -Gerhard-Gemeinde aus Bremen-Rönnebeck nach Bremen kommen. Nach Astachowas zeitlich bedingten verfrühten Aufbruch stand eine ihrer Äußerungen noch lange im Raum: „Tschernobyl ist eine soziale, ethische und moralische Katastrophe.“

Ulf Buschmann

Spenden für die Kinder von Tschernobyl an: Kreissparkasse Osterholz, Kto. 2327799, BLZ 291 523 00, Stichwort: „Kinder von Tschernobyl“.

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