: Hieronymus Bosch ergriff Partei
betr.: „Obszönitäten auf dem Altar“, taz vom 6. 9. 01
Eine kuriose Frage stellt sich Ihr Autor Koldehoff zur Hieronymus-Bosch-Ausstellung: Wie dieser, als Künstler des 15./16. Jahrhunderts, surrealistische Bildwelten des 20. Jahrhunderts vorwegnehmen konnte. Könnte es vielleicht sein, dass die Künstler des Surrealismus auch aus der Vergangenheit schöpften? Dass, wie revolutionär Kunst sich auch gebärdet oder tatsächlich ist, sie in einem Kontext von Kunsttradition und – Geschichte steht?
Hieronymus Bosch dadurch zu erklären, dass er nicht zu erklären sei, müsste nach über vierhundert Jahren peinlich, damit Kataloge zum Preis von fast 100 Mark zu füllen verboten sein.
Waren die Niederlande damals nicht das wirtschaftlich am weitesten entwickelte Land? Zu Boschs Zeit schrieb Thomas Morus seine „Utopia“ in den Niederlanden. Erasmus von Rotterdam, der mit dem „Lob der Torheit“ die dogmatischen Theologen verspottete, besuchte ein weltliches Collegiat in ’s-Hertogenbosch.
Die Bruderschaft Unserer Lieben Frau, in der Bosch Mitglied war, wurde vermutlich Sammelpunkt der Unabhängigkeitsbewegung. Aus der Symbolik ihrer Feste und Umzüge schöpfte Bosch einerseits, andererseits aus der abstrusen Symbolik der Reaktion, wie sie im „Hexenhammer“ und den Predigten der „Hunde des Herrn“, des Inquisitorenordens der Dominikaner verwandt wurde. Jakob Sprenger, Mitautor des „Hexenhammers“, war damals Provinzial der Region von Köln bis ’s-Hertogenbosch.
Bosch ergriff Partei, ironisch, satirisch wie Erasmus – gegen den Antihumanismus einer sich mit Aberglauben, Folter und Mord verteidigenden alten Macht. Für nur etwa 40 Mark lässt sich diese Kunstgeschichte bei Rosemarie Schuder – mit Bildern – entdecken. MARIA NONNENKAMP, Berlin
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