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„Hier droht die Magersucht“

■ Hamburgs Medien- und Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) über die Distel im Hamburger Mediendschungel und Geschäftsführer, deren unternehmerischer Horizont weiter reicht als sechs Monate

taz:Die alternative tageszeitung taz sucht neue Wege aus der Krise: Der Berliner Vorstand hat ein Drittel der Beschäftigten in der Politik-Redaktion des Hamburger Lokalteils ohne Sozialplan entlassen. Ein Vorbild für intelligentes Management und strukturelles Sparen?

Thomas Mirow: Sozial unverträgliche Sanierungsstrategien zeugen von schlechtem Management. Daß sich die taz beim Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht an sozialdemokratischen Prinzipien orientiert, ist allerdings keine Überraschung.

Ist der Wirtschaftsstandort Hamburg in Gefahr?

Ja, in großer Gefahr.

Welche medienpolitische Bedeutung hat denn das Lokalblättchen taz hamburg?

Der Standort Hamburg lebt von der Vielfalt, auch die Distel taz stellt im Mediendschungel der Stadt eine wertvolle Bereicherung dar. Die abschätzige Verwendung des Begriffes „Lokalblättchen“muß ich in aller Schärfe zurückweisen.

Halten Sie es für eine kluge unternehmerische Entscheidung, die taz hamburg zu einem Zeitpunkt zu verschlanken, wo in Hamburg eine rot-grüne Regierung den Durchbruch geschafft hat?

Nein. Und was heißt „verschlanken“? Hier droht Magersucht.

Was können Sie tun, um dem drohenden Verlust entgegenzuwirken?

Kraftvolle Interviews geben.

Die Stadt könnte doch nach dem Rettungsmodell der Bavaria-St. Pauli Brauerei verfahren: Sie kaufen die Zeitung und leiten sie solange, bis sich ein neuer Verleger findet. Im Gegenzug bekommen Sie endlich eine gute Presse.

Kaufpreis?

Aus Berlin kamen Vorschläge, wie die Arbeitsplätze doch noch gerettet werden könnten: Den Kollegen wurde empfohlen, sich arbeitslos zu melden. So könne die taz die Gehälter sparen, ohne daß den Redakteuren ein finanzieller Verlust entstünde. Eine Maßnahme der öffentlichen Arbeitsförderung, die Schule machen sollte?

Auf Anraten meiner Rechtsabteilung nehme ich zu angeblichen Aufforderungen Dritter zum Sozialmißbrauch keine Stellung.

Der taz-Controller hat angeregt, den Hinterhof des Hamburger taz-Gebäudes als Parkplatz für sechs Pkw zu vermieten. Durch die Miet-einnahmen könnten so 3000 Mark im Jahr erwirtschaftet werden.

Anspielungen auf eine eventuelle Vermietung des Rathausinnenhofes sind an die Adresse Rathausmarkt 1 zu richten.

Schon im Konflikt um die Hafenstraße haben Sie sich den Ruf eines friedensstiftenden Vermittlers erworben: Können Sie sich vorstellen, auch in der taz zu schlichten?

Nur nach Aufforderung durch die Patriotische Gesellschaft.

Die Hamburger Belegschaft wurde gezwungen, sowohl für 1997 als auch für 1998 einen Haushaltsplan für die Betriebsstätte Hamburg zu erstellen, weil die Geschäftsführung dazu nicht in der Lage war. Ist diese neue Form der Arbeits-Delegation begrüßenswert?

Mindestens die halbe Arbeit können Sie sich schenken: '97 ist gelaufen, offenbar auch ohne Haushaltsplan.

Die beiden gekündigten Mitarbeiter haben vor einem halben Jahr ihre alten Jobs für die taz an den Nagel gehängt und ihren Lebensmittelpunkt von Bremen bzw. Dortmund nach Hamburg verlagert. Müssen moderne, motivierte Arbeitnehmer dieses Risiko der Flexibilität in Kauf nehmen?

Risiken sollten Chancen gegenüberstehen, und Arbeitnehmern Geschäftsleitungen, deren unternehmerischer Horizont weiter reicht als sechs Monate.

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