: Hexenjagd auf Alice Schwarzer
betr.: „Die Wahrheit des Gebirges“, taz vom 23. 8. 00
Wie enttäuschend, dass auch in der taz die Hexenjagd auf „Schwanz-ab-Schwarzer“ ein Forum findet! Bei aller Kritik, die man an einzelnen Äußerungen von Alice Schwarzer haben kann, ist es einfach unverschämt und dumm, die ganze Alice Schwarzer mitsamt allen Thesen, die sie vertritt, diffamieren zu wollen – egal, wie ermüdend das Thema „Feminismus“ auf Einzelne wirkt, besteht die Notwendigkeit ja leider noch, den Fokus immer wieder in diese Richtung zu rücken.
Beim Literarischen Quartett wird seit Jahren damit kokettiert, immer wieder patriarchale Gesprächsstrukturen herzustellen und die „Quotenfrau“ als nicht ernst zu nehmend darzustellen. Hier die Gleichberechtigungsfrage zu stellen, finde ich alles andere als an den Haaren herbeigezogen. Viel schlüssiger als zum Beispiel Dank einer Gehirnerweichungsassoziation Nietzsche zum Vergleich ranzuziehen. Frauen sollten „anerkennen, dass es immer mehr als nur eine Wahrheit gibt“. Das ist genau der Punkt! „Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht“ ist niemals eine charmante Äußerung gewesen, sondern war und ist eine Realität, die wir Frauen eben nicht als „andere Wahrheit“ anerkennen oder verstehen sollten, gegen die wir uns wehren müssen. Selbstverständlich hat Alice Schwarzer recht, wenn sie vertritt, dass die Sexualität seit 4.000 Jahren eine Männerwaffe sei – wie kann man (und gerade frau) das ableugnen angesichts der allgegenwärtigen Bedrohung durch Vergewaltigung, der Frauen ständig ausgesetzt sind, angesichts von Prostitution, angesichts der unterdrückten Position der Frauen, die Hand in Hand geht mit Verfügbarkeitsforderungen und innerhalb vieler Familien auch in Deutschland eine normative Struktur hat, und nicht zuletzt angesichts des gängigen Frauenbilds, das in Witzen, an Stammtischen, in sämtlichen Medien etc. immer wieder behauptet wird.
Wenn nicht Frauen wie Alice Schwarzer seit Jahrhunderten trotz aller Anfeindungen gerade auch durch Frauen auf die Missstände dieser Gesellschaft aufmerksam gemacht und für die Frauenrechte gekämpft hätten, dann dürften Sie, liebe Kerstin Decker, in gar keiner Tageszeitung schreiben. JANINA OLIVIER, Hamburg
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