: Heute im Wehrschloß
■ Helios Creed
Heute im Wehrschloß:
Helios Creed
Wohl kaum ein fanatischer Modell-Eisenbahner könne es sich leisten, Jahr für Jahr von den USA nach Deutschland zu jetten, um hier immense Mengen Zubehör für die dort nicht erhältliche Mini-Spur „N“ aufzukaufen. Glück also für Helios Creed, daß es ihm seine hauptberufliche Tätigkeit als abgefahrener Gitarrist erlaubt, im Rahmen seiner jährlichen Europa- Touren diesem Hobby nachzugehen. Dann nämlich erwirbt Creed, der eigentlich Lokomotivführer werden wollte, Waggons, Loks, Autos und Bäumchen, die er im heimischen Kellerraum zu skurrilen Szenarien wie einer Kolonne von Selbstmördern auf den Minigleisen zusammenstellt. Auch in diesem Jahr ist Helios Creed wieder unterwegs in Sachen Spur „N“, und wieder hat er eine neue LP, „Kiss the Brain“, im Handgepäck, eine leichte Abkehr vom effektgeladenen Düsensound. Statt phaser-geschwängerter Verzerrungsorgien auf der Staubsauger-Gitarre liefert Creed schwermetallische, eingängigere Sounds, deren höhere kompositorische Qualität alte Effektboard-Schlachten schnell vergessen läßt. Dennoch bleibt das Trio des ehemaligen Kopfes der Innovativ-Lärmer Chroms aus den 80ern immer noch Lichtjahre vom Einheits-Radiorock entfernt.
Mit dabei sind auch Creed's Labelkollegen Vertigo aus Minneapolis, die auf Empfehlung des Sängers der Cows, einer der renommiertesten Irren-Bands des ortsansässigen Amphetamine-Reptile-Labels nach ihrem Single-Debüt 1988 von eben jenem Firmenchef Tom Hazelmeyer unter Vertrag genommen wurden. Blues- und Rockwurzeln, gepaart mit der labelüblichen nPartie Wahnsinn, ergeben den wohl insgesamt kommerziellesten Sound der Amphetamin-Reptile-bands. L.R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen