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Archiv-Artikel

Heuschrecken plagen Mieter

Deutscher Mieterbund warnt vor Privatisierung öffentlicher Wohnungen: Geldgierige Investoren bereichern sich, Mieten steigen maßlos und Sozialwohnungen verschwinden

„Für viele liegt die Miete am Rande der Belastbarkeit“

BERLIN ap ■ Der Deutsche Mieterbund fordert ein Ende des Ausverkaufs öffentlicher Wohnungen. Verbandschefin Anke Fuchs sagte gestern, angesichts eines schrumpfenden Angebots an Sozialwohnungen dürften Bund, Länder und Kommunen nicht an Investoren verkaufen, die ledigliche hohe Renditen erzielen wollen.

In den vergangenen fünf Jahren wurden mehr als 600.000 öffentliche Wohnungen privatisiert. Eine Million stünden noch zum Verkauf, schätzte Mieterbund-Direktor Franz-Georg Rips. „Wir werden die Trompete blasen müssen, um das Thema auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen“, sagte die SPD-Politikerin Fuchs. Man müsse sich notfalls auch mit sozialdemokratisch geführten Kommunen anlegen, die zur Entlastung des Haushalts öffentlichen Wohnungsbestand verkaufen wollten. „Wir verfolgen die Kapitalismus-Diskussion mit Interesse“, so Rips.

Als besonders Besorgnis erregend bezeichnete Fuchs die auf dem deutschen Wohnungsmarkt agierenden angloamerikanischen Investorengruppen wie Cerberus, Fortress und Annington, die Renditen bis zu 8 Prozent pro Jahr erwirtschaften wollten. Dies könne nur bedeuten, dass ein Teil der Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und weiterverkauft werde – und Mieter mit überdurchschnittlichen Mieterhöhungen von bis zu 4 Prozent jährlich rechnen müssten.

Investitionen in Sanierung und Modernisierung dienten nur noch dazu, Mietern zu kündigen und die Wohnungen einer finanzkräftigeren Klientel anzubieten. „Letztlich stehen beim Ausverkauf der großen öffentlichen Wohnungsbestände gewachsene Strukturen und Nachbarschaften auf dem Spiel“, warnte Fuchs. Außerdem fänden Einkommenschwächere wie Alleinerziehende oder Rentner in den Großstädten kaum mehr angemessene Wohnungen zu bezahlbaren Preisen. Zurzeit gebe es nur noch rund 1,8 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Auch Bezieher des neuen Arbeitslosengeldes II fänden kaum noch Wohnungen zu angemessenen Preisen.

Die Mieten ohne Heizkosten sind in den vergangenen fünf Jahren laut Mieterbund im Durchschnitt um knapp 5 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Warmmiete bezifferte der Verband auf 7,40 Euro pro Quadratmeter.

In den westdeutschen Ballungszentren wie Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg lägen die Mieten allerdings bis zu 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, in München noch weiter darüber. „Für viele Mieter liegen die Wohnkosten inzwischen am Rande der Bezahlbarkeit“, sagte Fuchs.

Drastisch entwickelten sich vor allem die Heizkosten. Sie seien in den vergangenen 18 Monaten um durchschnittlich 10 Prozent bei Gas und 30 Prozent bei Öl gestiegen, sagte Rips.