: Hessische SPD uneins
Am Mittwoch schlug die Bombe ein: Ministerpräsident Börner feuert Umweltminister Fischer! Damit waren die hektischen Aktivitäten in hessischen SPD–Kreisen, das rot–grüne Bündnis doch noch zu retten, erst einmal gestoppt. Den ganzen Vormittag über liefen die Telefone in den Schaltstellen der Sozialdemokratie heiß. Die südhessischen Genossen reagierten schnell, jedoch nicht schnell genug. Sie hatten ihren für den 21. Februar geplanten außerordentlichen Parteitag blitzschnell auf den kommenden Samstag vorverlegt. Ein Gespräch mit dem Bezirksvorsitzenden Hessen–Süd, dem Landwirtschaftsminister Willi Görlach, stand noch aus. Der Pressereferent des Ministers, Peter Niederelz, teilte in Eile mit: „Wir wollen, daß der Zustand vom Montag vor einer Woche wieder hergestellt wird.“ In Vertretung des erkrankten Ministerpräsidenten Börner hatte Finanzminister Krollmann, gleichzeitig Vorsitzender des Bezirks Hessen–Nord, erklärt, „daß es in dieser Legislaturperiode keine Genehmigung der Hanauer Nuklearbetriebe ALKEM geben“ werde. Krollmann gilt zur Zeit als möglicher Börner–Nachfolger. Der Pressesprecher der SPD– Landtagsfraktion, Dr. Hans Zinnkann, erklärte: „Ich würde auch gerne wissen, wie es weitergeht.“ Seine Fraktion habe allerdings „kaum einen Spielraum“, die ALKEM–Entscheidung des Ministerpräsidenten und des Wirtschaftsministers zurückzunehmen. Fast wortgleich äußerten sich gestern vormittag die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP. Umweltminister Fischer handele „nicht nach Recht und Gesetz“, wenn er eine Verhinderung der ALKEM– Genehmigung anstrebe. Heftiger Unmut herrschte bei den hessischen Jungsozialisten. Ihr Vorsitzender Gernot Grumbach sagte, es sei „die Frage zu stellen, ob Wirtschaftsminister Steger der richtige Mann auf dem richtigen Platz“ sei. Auf dem Parteitag von Hessen–Süd werde sich herausstellen, ob es möglich sei, daß die Parteiführung sich über die Meinung von zwei Dritteln der Mitglieder hinwegsetze. Bereits 1985 und 1986 hatte sich dieser SPD–Bezirk gegen die weitere Nutzung der Plutoniumwirtschaft ausgesprochen. Was die Führungsgremien der hessischen SPD umtreibe, sei auch ihm ein Rätsel. Wenn man dort „die Grünen vorführen“ wolle, dann, so Grumbach, doch bitteschön „nicht auf einem Gebiet, wo es eine andere Beschlußlage der Partei gibt“. Auf dem vorgezogenen Parteitag sollen die alten Beschlüsse bestätigt werden. In dem vorliegenden Antrag heißt es u.a.: „Schon der Vorschlag, eine auf zehn Jahre befristete Genehmigung für ALKEM zu erteilen, hat ... die Glaubwürdigkeit sozialdemokratischer Atompolitik erschüttert....“ SPD–Fraktionsvorsitzender Weltecke sieht jedoch bereits Neuwahlen am Horizont: „Dieses glaube ich vom jetzigen Zeitpunkt nicht mehr ausschließen zu können.“ Heide Platen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen