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Herzschmerz-Schmelz

■ Die „Gipsy Kings“ in der Stadthalle: Rhythmusgruppe gegen Flamenco

In der Bremer Stadthalle belebten die „Gipsy Kings“ am Samstagabend Urlaubsgefühle wieder. Das harte Leben bekam für zwei Stunden einen zarten Schmelz, ganze Thekenmannschaften schlängelten sich zu Beginn durch die fast ausverkaufte Halle. Die Krone der Zigeunermusik hatte auf der Straße gelegen. Die sechs Machos aus Südfrankreich hatten sie aufgehoben und hatten kraft ihres virtuosen Gitarrenspiels, gemischt mit Salsa und Flamenco, ausgebreitet auf rockigen Arrangements, die Regierung übernommen. Aber bekamen sie ihr Publikum richtig in den Griff? Aber ja, es unterwarf sich freudig.

Nicolas Reyes' herzschmerz- heisere Stimme zündelte mit lang modulierten Phrasen Sehnsüchte, deren spanische Reizwörter den meisten TouristInnen nach 14 Tagen Spanienurlaub geläufig sind wie „Baila Me“, „Sin Ella“, „Lagrimas“ und „Mi Vida“. Doch die Strenge der satten, synchronen Gitarrenrhythmen wurden zerstampft von der verrockten Rhythmusgruppe.

Ein einheitlicher, glatter Sound schwappte aus den Boxen, und die Weltmusik wurde zum Schlager. Das Spezifische der Zigeunermusik, das Trauern-Können des Flamenco, ging den Bach herunter und wich der lukrativen Nivelierung, die „Gipsy Kings“ zockten ab.

Das machte aber nichts, denn verlangsamten sie das Tempo gingen die Wunderkerzen und Feuerzeuge an, und beschleunigten sie es, so versuchte das Publikum beinah gelungen den Gegenrhythmus zu klatschen, wie es im Sommer auf der Fahrt 'a la playa' in Spaniens Vorortzügen dazugehört. Wie kolportiert wirkte die Folklore. Das unterstrich der Mann am Synthesizer. Er brauchte sein Gerät nicht auszuquetschen, es war nur äußerlich einem Akkordeon nachempfunden. Trotz alledem schlugen aus diesem der Volksmusik entwachsenen Klangteppich von sechs Gitarren auf süßlichen Backgroundtönen Funken von Leben.

Juan

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