: Herzmassage für eine Totgesagte
■ Neue Etappe der Verwaltungsreform: Preis-Leistungsrechnung nun auch in der Kernverwaltung / HandelsschullehrerInnen sollen helfen
Totgesagte leben länger. Eine gezielte Herzmassage verordnete der Bremer Senat deshalb der öffentlichen Verwaltung. Ein neues Kostenrechnungssystem schrieb er in der vergangenen Woche auf den Rezeptblock – als eine von vielen Maßnahmen der Verwaltungsreform, die den 7,5 Milliarden Mark schweren Haushalt von Stadt und Land überschaubarer und vor allem effizienter machen soll.
Schnellstens verschwinden soll das altmodische „kameralistische System“, das Einnahmen und Ausgaben zwar säuberlich verbuchte, diese aber nie systematisch auf Leistung umrechnete – und wichtige Posten, wie Gebäudekosten, nicht abschrieb. „Wir kennen nur den Input, über den Output wissen wir zu wenig“, sagt Finanzsenator Manfred Fluß und will die betriebswirtschaftliche Rechnung einführen. Die ist Standard in städtischen Eigenbetrieben und privaten Unternehmen sowieso; Kosten werden dann vergleichbar. Die Buchausleihe, die KFZ-Zulassung, der Umschlag eines Hafencontainers, das alles wird dann einen fest kalkulierten Preis haben.
Doch der Preis ist heiß. Was das kleine Einmaleins der Betriebswirtschaft für die öffentliche Verwaltung bringen wird, ist ist an der Entwicklung der städtischen Eigenbetriebe bereits ablesbar. Dort haben die traditionell ausgebildeten Verwaltungsbeamten zwar „erstaunlicherweise“ Managerqualitäten entwickelt, sagt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Aber: die Zahl der Angestellten sinkt. Nicht nur deswegen schauen viele städtische Angestellte skeptisch auf das neue Modell.
Wo der Besen auch in der städtischen Verwaltung kehren wird, das soll sich bald zeigen. Erst müssen „Kriterien von Qualität“ erarbeitet werden, sagt Henning Lühr von der Senatskommission für das Personalwesen (SKP). Klartext: Man muß entscheiden, ob das Beratungsgespräch zur Buchausleihe dazugehört und wie lang es sein darf, um nicht zu teuer zu werden. Personalkosten machen ein Drittel des gesamten Bremer Haushalts aus.
Für reine Verwaltungsbereiche, die außerdem konkurrenzlos arbeiten, ist die Neuberechnung von Preis und Leistung nicht einfach. Deshalb soll eine Bürgerbefragung her. Dort, wo städtische Einrichtungen konkurrenzlos arbeiten, in Bibliothek, Paßamt oder KFZ-Zulassung beispielsweise, soll die Kundin über Qualität mitreden dürfen.
Aber zuerst ist Training angesagt, und „neues Denken“. Rund 500 MitarbeiterInnen verschiedener „Pilotdienststellen“, vom Statistischen Landesamt über die Bibliothek, den Knast, die Volkshochschule bis zum Grundstücksamt, werden dafür bald die Schulbank drücken. Ein Lehrgang an der Fernuniversität Hagen, externe BeraterInnen, vor allem aber ein Team von freigewordenen HandelsschullehrerInnen, sollen den neuen Stoff vermitteln. „Die Verwaltungsreform wird weitgehend aus Bordmitteln bestritten“, verspricht Henning Lühr.
Aber es geht nicht nur um Betriebswirtschaft, sondern auch um Management und Image. Ein kleiner Traum soll wahr werden: Der ewig lange Aktenweg durch die Instanzen fällt weg, die Ämter operieren intern und schneller miteinander, die Ausrede vom langen Verwaltungsweg ist perdu. Die Bürgerin hätte für ein Anliegen, bei dem drei Ämter mitreden müssen, im optimalen Fall eine Ansprechpartnerin, die alles koordiniert. „Produktorientiert“ soll die Arbeit werden. Die Voraussetzung dafür heißt mehr Entscheidungskompetenz für MitarbeiterInnen.
Theoretisch klingt das gut. Praktisch gibt es jede Menge Hürden. Noch gehen Finanzressort und SKP vorsichtig damit um – eine Totgesagte wird warmgestreichelt. Per Training und Informationsbroschüre, beides demnächst erhältlich: Zwecks Transparenz und Motivation. ede
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