: Herz-Skandal: „Chefärzte vom Stamme Raffzahn“
■ Blitz-Prüfungen in Hamburger Kliniken / UKE-Arzt räumt Spenden ein
Auch in Hamburg sind in Zusammenhang mit der Lieferung von Herzklappen und -schrittmachern an Krankenhäuser Spendengelder geflossen. Prof. Peter Kalmar, Leiter des Operativen Zentrums des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE), räumte in einem Gespräch mit Wissenschaftssenator Leonhard Hajen (SPD) gestrn ein, innerhalb der vergangenen zwölf Monate Spenden von 80.000 Mark von Herstellerfirmen erhalten zu haben. Von dem Geld seien vor allem Dienstreisen für wissenschaftliche Zwecke unternommen worden.
Das UKE schlug vor, eine externe Wirtschaftsfirma einzusetzen, um die Vorgänge zu überprüfen, erklärte Behördensprecher Tom Janssen. Die Behörden in Hamburg und Schleswig-Holstein hatten am Sonntag nach den bundesweiten Bestechungsvorwürfen gegen Chefärzte deutscher Herzzentren umgehend Prüfungen in Kliniken für Herzchirurgie veranlaßt.
Der Hamburger Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) erklärte gestern, das von ihm betreute Allgemeine Krankenhaus St. Georg sei nach den bisherigen Erkenntnissen von dem Skandal nicht betroffen. Leitende Mitarbeiter des Krankenhauses hätten versichert, „daß sie im Zusammenhang mit der Beschaffung der Herzklappen persönliche Zuwendungen weder erhalten noch gefordert haben“.
Die Chefin der Hamburger Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK), Karin Schwemin, bekräftige demgegenüber ihre Auffassung, daß auch die Hamburger Herzzentren „mit Sicherheit“ in den Bestechungsskandal verwickelt seien: „Das muß so sein, da 50 von 51 bundesdeutschen Herzzentren beteiligt sein sollen.“ Schwemin betonte, am Wochenende habe sie den „Glauben an die Redlichkeit der mit uns verhandelnden Ärzte verloren. Denen fehlt ganz offensichtlich das Unrechtsbewußtsein.“
In Hamburg liegen nach Angaben von Meta Stölken vom Verband der Angestellten-Krankenkassen „bisher keine Beweise über persönliche Bereicherung vor“. Der GAL-Gesundheitsexperte und Arzt Peter Zamory erklärte, es sei überfällig, auch die Hamburger Krankenhausstrukturen „auf Herz und Nieren zu durchleuchten“. Dort habe sich „ein unkontrolliertes Eigenleben entwickelt, das Chefärzte vom Stamme Raffzahn zu ihrer persönlichen Bereicherung zu nutzen wissen“.
Der von den Grünen aufgrund des Strahlenskandals im UKE geforderte Parlamentarische Untersuchungsausschuß müsse nun endlich eingesetzt werden. Auch die Nebeneinkünfte und Nebentätigkeiten der Chefärzte müßten in diesem Ausschuß unter die Lupe genommen werden. Ein entsprechender GAL-Antrag liegt der Bürgerschafts in ihrer Sitzung am morgigen Mittwoch vor.
lno/smv
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