: Herbe Schlappe für Zoran Djindjic
Die oppositionelle serbische Allianz für den Wandel stellt ihre täglichen Demonstrationen gegen das Milosevic-Regime ein – mangels Beteiligung ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji
Nach 89 Tagen hat die „Allianz für den Wandel“ am Samstag ihre Proteste gegen das serbische Regime in Belgrad endgültig eingestellt. Statt hunderttausenden oder gar Millionen Menschen, wie es sich Zoran Djindjić, Vorsitzender der „Demokratischen Partei“ (DS) zu Beginn der Demonstrationen erhoffte, folgten peinlich wenige Bürger Serbiens dem Aufruf der Allianz, auf der Straße so lange Druck zu machen, bis der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević zum Rücktritt gezwungen wird und das Regime vorzeitige, demokratische Parlamentswahlen ausschreibt.
Das traurige Bild von einigen hundert Bürgern, die tagein, tagaus in Belgrad demonstrierten, froren und feurige Reden gegen das Regime hielten, die keine Zuhörer fanden, zwang auch die hartnäckigsten Führer der Allianz, sich mit der unangenehmen Niederlage vorerst abzufinden. Im Endeffekt schienen die Proteste nichts anderes zu bewirken, als die Schwäche und die Uneinigkeit der serbischen Opposition zu illustrieren und die regimetreuen Medien zu amüsieren.
Die bitterste Pille musste Zoran Djindjić schlucken, der zu Beginn der Massenproteste versprach, sich als DS-Vorsitzender zurückzuziehen, falls Milošević mit dieser Protestwelle nicht gestürzt werde. Seine Strategie ist fehlgeschlagen, er hat seinen eignen Einfluss auf das Volk und die Bereitschaft der Menschen, sich den Schlagstöcken der Polizei für eine bessere Zukunft Serbiens auszusetzen, überschätzt.
Und sein Ansehen ist angeschlagen. Wohl oder übel hat sich nach dem Scheitern der Massendemonstrationen sein größter Kontrahent, Vuk Drašković, Vorsitzender der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ (SPO), nun als der eigentliche Anführer der serbischen Opposition aufgedrängt. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass nur der charismatische monarchistische Wirrkopf in der Lage ist, die Volksmassen in Serbien zu bewegen.
Drasković bezeichnete die Proteste der „Allianz für den Wandel“ als „verfrüht“ und eine „Vergeudung der Volksenergie“. Erst wenn alle Möglichkeiten im Rahmen der staatlichen Institutionen erschöpft seien, meinte Drašković, würde er seine Anhänger aufrufen, auf der Straße „für vorzeitige Wahlen“ zu demonstrieren. Böse Zungen behaupten allerdings, Drašković hätte sich den Demonstrationen nur deshalb nicht angeschlossen, weil er sich die Führerrolle mit anderen hätte teilen müssen.
Nun gab auch Drašković vor wenigen Tagen zu, dass das Regime auf seine Forderungen nicht eingehen wolle. Die Opposition sei aus staatlichen Institutionen – dem Parlament, dem Rechtswesen und der Polizei – ausgeschlossen, die von den regierenden Parteien „sträflich missbraucht“ würden. Mehrmals klagte Drašković das Regime an, dem serbischen Geheimdienst den Auftrag gegeben zu haben, im Oktober ein Attentat auf ihn durchzuführen. Dabei kamen vier hohe Funktionäre seiner Partei ums Leben.
Drašković verschärfte nicht nur den Ton. SPO-Pressesprecher Ivan Kovačević kündigte an, die SPO würde eine „Serbische Abwehrbewegung“ gründen, die sich dem „Staatsterror“ widersetzen sollte. Kovačević ignorierte die Frage, ob die Mitglieder der Organisation bewaffnet sein würden. Wie inoffiziell verlautete, soll die „Abwehrbewegung“ aus ehemaligen Mitgliedern der „Serbischen Garde“ zusammengestellt werden, die Drašković 1991 gegründet hatte und die im serbischen Krieg gegen Kroatien im Einsatz war. Als der Kommandant der Garde, die Legende der Belgrader Unterwelt, Giska, auf mysteriöse Weise sein Leben verlor, wurde die Organisation aufgelöst.
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