Interview: Manfred Mahr: Hemmschwelle sinkt
■ Der kritische Polizist und GALier über Wrocklages „Legalize Platzverweis“
taz: Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) will mit geänderten Polizeigesetzen Repressionen im Drogenmilieu nachträglich legalisieren. Bewerten Sie das als Freibrief für die skandalgebeutelte Polizei?
Manfred Mahr: Es werden in unverantwortlicher Weise Tür und Tor für Willkürmaßnahmen geöffnet. Denn hier sollen gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die letztlich die Hemmschwellen für polizeiliche Übergriffen senken.
Ist Wrocklage nicht zu Recht sauer auf die Haftrichter, die seine Politik torpedieren?
Nein. Der Innensenator hat mit seiner Richterschelte das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt. Das ist eine unentschuldbare Mißachtung der unabhängigen Justiz. Er unterstellt außerdem den Verwaltungsrichtern, daß sie politisch opportun und nicht nach Recht und Gesetz entscheiden würden.
Wenn künftig Verwaltungs- statt Amtsrichter über Platzverweise entscheiden, was bedeutet das für die Betroffenen?
Die Beweislast liegt dann nicht mehr bei der Polizei. Die Betroffenen müssen den komplizierten Klageweg gegen Platzverweise beschreiten. Die Innenbehörde rechnet damit, daß Junkies und Kleindealer mit ungesichertem Aufenthaltsstatus nicht gelernt haben, sich zu wehren. Und dieses Kalkül ist eine Schweinerei.
In dem Gesetzentwurf heißt es, die Bekämpfung von Dauergefahren im Drogenmilieu ist nichts anderes als das Abschleppen eines Falschparkers.
Der Vergleich hinkt in zweifacher Hinsicht. Eine Ordnungswidrigkeit wie Falschparken kann man nicht mit einem Eingriff in Grundrechte vergleichen. Und selbst wenn man den Vergleich zuläßt: Die Polizei läßt nicht abschleppen, bevor man falsch parkt, nur weil der Fahrer das schon mal getan hat und eine Wiederholungsgefahr besteht. Genau das erlaubt aber die geplante Gesetzesänderung.
Sehen Sie mit Innensenator Wrocklages Änderungsplänen die Grundrechte bedroht?
Der Innensenator versucht, das Rechtsstaatsprinzip der Verhältnismäßigkeit mit einem einfachen Gesetz auszuhöhlen. Fragen: Silke Mertins
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