Hells Angels vor Gericht: Die Höllenengel von Hannover
Am Montag beginnt der Prozess gegen 14 Hells Angels in der Landeshauptstadt. Während die Polizei die Rocker in Hannover zur organisierten Kriminalität rechnet, werden sie von Lokalpresse und Stadtgrößen geradezu hofiert.
22. März 2006, an einer Autowerkstatt in Stuhr bei Bremen lauern sie den fünf Bandidos auf: Sie bearbeiten die Rocker mit Axtstielen, fesseln sie, überkleben ihre Augen und lassen sie schwer verletzt zurück. Wenn am kommenden Montag in Raum 127 des Landgerichts Hannover der Prozess gegen 14 Mitglieder der Bremer Hells Angels beginnt, ist von den Angeklagten wenig Neues zu erwarten: Die Rocker dürften sich an ihren Ehrenkodex halten: Zu den Vorwürfen, gemeinschaftlicher schwerer Raub und schwere Körperverletzung, ist Schweigen zu erwarten.
Die Hells Angels wurden im März 1948 in Fontana (Kalifornien) gegründet, 1973 das erste deutsche "Chapter" in Hamburg. Ihr Abzeichen ist der "Deathhead", ein Totenkopf mit Flügeln. 1969 gerieten die Angels in die Schlagzeilen, als bei einem Rolling-Stones-Konzert vier Menschen starben, ein Zuschauer wurde direkt von einem der als Wachleute fungierenden Rocker erstochen. Sich selbst bezeichnen die Hells Angels immer wieder als normalen Motorradclub mit vier grundlegenden Werten: Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Respekt und Freiheit.
In Deutschland gibt es nach Polizeiangaben 32 Chapters mit gut 1.000 Mitgliedern. 1983 wurde die Hamburger Gruppe verboten. Der damalige Innensenator Alfons Pawelczyk (SPD) ließ das Vereinshaus "Angels Place" auf der Sternschanze mit 500 Beamten stürmen, unter anderem wurden Mitglieder angeklagt, 1980 am Totschlag auf einen Diskobetreiber auf Sylt beteiligt gewesen zu sein. KSC
Der Prozess zwischen den verfeindeten Rockertruppen sollte ursprünglich am Landgericht in Verden stattfinden. Dass er aus Platzgründen in die Landeshauptstadt verlegt wurde, lenkt das Augenmerk auf das mit rund 50 Mitgliedern größte "Chapter" der Hells Angels in Deutschland, die Höllenengel von Hannover: Die Polizei stuft die Akteure des Rockerclubs als höchst kriminell ein. Dennoch haben sie sich seit ihrer Gründung 1999 zumindest mit freundlicher Rückendeckung von Lokalpresse und City-Prominenz etabliert.
Zu seinen "Herrenabenden" lädt Anwalt Götz von Fromberg neben seinem alten Kanzleikumpel Gerd Schröder so auch gerne den Chef der Hells Angels in Hannover ein, Frank Hanebuth. Von Fromberg, für die Hannoversche Allgemeinen Zeitung (HAZ) ein "Staranwalt", vertritt den ehemaligen Boxer und "König des Steintors" auch gerne vor Gericht.
Hanebuth und seine Jungs haben das Rotlicht- und Partyviertel an der Leine im Griff. Die HAZ lobt den 1,96-Meter-Mann, der 2001 wegen Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, für seine "mehr als erfolgreiche Wiedereingeliederung". Das Landeskriminalamt bringt die Rocker dagegen mit Drogen, Menschenhandel und Zuhälterei in Verbindung. HAZ und Neue Presse feiern Hanebuths Angels gerne als Helden ab, die dem Steintor die Sicherheit gebracht hätten, die den Kiez "Erblühen" lasse. "Wer in der Stadt etwas machen will, der fragt die Stadt, der fragt die Polizei und der fragt Frank Hanebuth", schrieb die HAZ nicht ohne Respekt. Die Höllenengel sind in Hannover gesellschaftsfähig geworden: Ihr "Präsident" Hanebuth hält die Meile "sauber", dafür lassen ihn die Stadtoberen wirken.
Dabei haben viele Angels ein ungeklärtes Verhältnis zu Gesetz und Gewalt: Ein alter Kumpel Hanebuths ist Markus "Maxe" W. Der "Secretary" der Hells Angels in Hannover ist als der "Schläger von Lens" bekannt. Vor zehn Jahren schlug er während der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich den Polizisten Daniel Nivel zum Krüppel.
Angels-"Präsident" Hanebuth kümmert sich darum, dass seine "Members" einen Job haben. W., der vor 2002 aus dem Gefängnis entlassen wurde, managt auch in diesem Jahr für die Angels die "Tatoo-Convention", eine Tätowiermesse, auf der auch rechte Szeneläden ihr Angebot präsentieren.
Andere Mitglieder des "Chapter" von Hannover arbeiten als "Wirtschafter" in einem der Bordelle im Steintor, Männer seiner Sicherheitsfirma "Bodyguard Security" stehen vor den Türen von Diskotheken im Kiez. Sie sichern den Eishockey-Verein Scorpions, bewachen von Fromberg, Schlagerparaden und Steintor-Partys. Hanebuth selbst ist Herr über ein unübersichtliches Firmengeflecht - es könnten Waschanlagen für das Geld aus unlauteren Geschäften sein, mutmaßt der Weser Kurier. So vermarktet Hanebuths Steintor Event GmbH Halli-Galli-Aktionen wie die "Fête de la nuit" im Kiez, ihm selbst gehören eine Bar und ein Striplokal. Der 44-Jährige soll zudem an mehreren Immobilien im Rotlichtbezirk beteiligt sein, angeblich hat er Strohmänner in weiteren Sicherheitsunternehmen installiert. Auch die "Original 81 Vertriebsgesellschaft mbH" soll zu Hanebuths Imperium gehören. Hier wird "Unterstützerware" für die Angels verkauft: Whiskey, Feuerzeuge und "Pussy-Driver"-Likör. "81" steht für den achten und den ersten Buchstaben im Alphabet, "HA" - die Initialen der Hells Angels.
Das niedersächsische Landeskriminalamt hat inzwischen eine eigene Ermittlungsgruppe, die "EG 1 Prozent" eingerichtet, die sich um Rockerkriminalität kümmert. Der Name erklärt sich so: Die Motorradfahrer weisen gerne darauf hin, dass 99 Prozent der Angels gesetzestreu seien und nur ein Prozent zu den Kriminellen gehöre. Neben den Angels rechnen die Ermittler auch die Bikerclubs Bandidos, Gremium und Outlaws zum Dunstkreis der organisierten Kriminalität. Es geht häufig um Erpressung, Zuhälterei oder Nötigung - Frank Hanebuth hält sich da natürlich stets zurück.
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