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Heller Wahnsinn

■ Peter Weiss' dokumentarischer Gesang Die Ermittlung am Ernst Deutsch Theater

Wir schreiben das Jahr 1958. Durch einen Zufall wird Wilhelm Boger entdeckt, der ordnungsgemäß in Württemberg gemeldet ist und dort als Beamter arbeitet. Boger wird angeklagt, als Folterer in Auschwitz tätig gewesen zu sein. Seine Verhaftung ist einer der Auslöser für die Frankfurter Auschwitz-Prozesse (1963-65), die der Schriftsteller, Maler und Filmemacher Peter Weiss beobachtet. Aus den Protokollen fertigt er Die Ermittlung, einen an Dante angelegten dokumentarischen Gesang.

Zum 50. Jahrestag der Befreiung hat das Ernst Deutsch Theater kurzerhand sein Programm umgestellt und das Dokumentarspiel auf den Plan gesetzt. Günther Fleckenstein inszeniert den Gruppenwahn mit 27 Schauspielern, von denen jeder einzelne für Millionen von Menschen steht. Die kleine Handvoll Zeugen muß es verkraften, vor doppelt so vielen Angeklagten die Wahrheit ans Licht zu bringen – auch wenn die Ärzte, Apotheker, Blockwarte und Lagerverwalter dazwischen auflachen. Einzelne Aussagen kommen vom Tonband, sind direkt dem Prozeß entnommen. Getreu der Vorgabe durch den Autor verzichtet die Inszenierung auf Bilder, setzt allein auf die Macht des Wortes. Die Mit-Spieler sitzen auf einer Pyramide angeordnet und treten paarweise heraus, um ihre Rollen als Ankläger und Verteidiger zu spielen. Die Dramaturgie steigert sich, wenn die einzelnen Stationen durch die Zeugenaussagen Gestalt annehmen: die Selektion an der Eisenbahn-Rampe, die tödlichen Phenol-Spritzen, schließlich die Vergasung und die Feueröfen.

Und wie gingen die Medien damit um? Mitarbeiter des Ernst-Deutsch-Theaters haben die Prozeßberichte aus den damaligen Zeitungen zu einer Ausstellung verdichtet – zu sehen im Foyer.

Gabriele Wittmann

Premiere: Mittwoch, 12. April, 19.30 Uhr. Vorstellungen bis zum 21. Mai, sonntags 19 Uhr. Vormittags Sondervorstellungen für Schulen.

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