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Hektisch durchzechte Deftigkeit

■ Howard Brentons „Berlin Bertie“ im Theater im Zimmer

Die Bühne gleicht einem x-beliebigen Keller voller Sperrmüll. Kühlschränke stehen rum, ein unnützer Beistelltisch und eine vergilbte Schaumstoffmatratze inmitten zerknüllten Papiers auf dem Boden. „Was'n das für'n Siff hier?“, stöhnt der schmächtige halbnackte Sandy am Boden liegend. Klarer Fall: Er erwacht gerade aus dem Drogenkoma.

Derart eingängig und vorhersehbar verlief die ganze Aufführung von Berlin Bertie, die am Donnerstag im Theater im Zimmer Premiere hatte. Regisseur Gerhard Hess hielt sich detailgetreu an die Textvorlage des englischen Autors Howard Brenton. So wurde dessen britische Situationskomik in der ironischen Charakterstudie englischer Neurosen, neuerblühter Ex-DDR-Minderwertigkeitskomplexe und kurzfristiger Existenzkrisen kaltblütiger Stasi-Spitzel kaum verfälscht. Doch die Textmenge scheint die Schauspieler beinahe zu ersticken.

So ermüden schon im ersten Akt gleich vier Monologe die Zuschauer. Julia Bleichinger als drogensüchtige Sozialarbeiterin Alice, agiert viel zu hektisch, und wie sie sich nach durchzechter Nacht in ihrem Armeeschlafsack auf der Bühne bewegt, wirkt auf Dauer wie eine schreiende Kasperlhandpuppe. Daneben agiert die Nachwuchsschauspielerin Astrid Rashed als Gruftie Joanne herrlich unbefangen. Sie wirkt stets komisch, wenn sie, im Geiste etwas über der Erde schwebend, ihre Yoga-Übungen macht, oder mit schwarz bemalten Lippen schmollt. Auch Mark Weigel als lebensuntüchtiges Muttersöhnchen Sandy agiert mit leichtem Spiel, während Dietrich Höllinderbäumer als kaltschnäuziger Stasi-Spitzel Bertold Brecht und Eva Derleder als christlich beherrschte Rosa beinah abgeklärt professionell wirken.

Das Publikum zollte mit stetem Beifall der ausdauernden Arbeitsleistung des Ensembles und des Regisseurs Respekt für einen zeitkritischen und sprachlich deftigen Berlin Bertie. Katrin Wienefeld

Theater im Zimmer, bis 14. Mai

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