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Heißes Fest

Das Weihnachtsfest macht mit mir, was es will: Es lässt mich sentimental werden. Selten gelingt es mir, mich abzusondern aus dem trauten Kreis der Lieben – ganz gleich, wie sehr sie nerven. Zu groß meine Angst vor möglicher Leere. Den Hinweis, dass das nicht gesund klingt, können Sie sich sparen, fühlte sich doch vor einigen Jahren das Universum selbst bemüßigt, mir einen Wink zu geben.

Mein Mütterchen hatte mir ein Adventsgesteck auf den Schreibtisch gestellt: zwei Tannenzweiglein, ein Apfelmännchen und eine Kerze in einem Weidenkörbchen. Das Ganze keine 30 Zentimeter vor der Gardine, in einem Fertighaus aus Pressspanplatten.

Kaum hatte ich den Versuch gestartet, mich bei Kerzenlicht und mit einem guten Buch von der Welt abzuschotten, klingelte es. Gelächter und Stimmen – viel brauchte es nicht, mich in die Diele zu locken. Erlöst ward ich in eine Unterhaltung verstrickt, die zu unterbrechen mich erst meine Blase zwang. Der Weg zur Toilette führt an meinem Jugendzimmer vorbei, aus dem ein merkwürdig strenger Duft drang. Mit dem Gedanken an eine Kerze, die ich natürlich hatte brennen lassen, drückte ich die Klinke. Schwarzer Qualm erfüllte den Raum; auf dem Schreibtisch knackten die Reste des Adventsgestecks. Lediglich die frühere Existenz des Körbchens war noch zu erraten: Die verkohlten Flechtbögen waren nach außen weggekippt und bildeten einen sauberen Kranz um den Brandherd.

Noch heute erinnert ein schwarzer Ring auf dem Schreibtisch an das Abstandsgebot: Du sollst es mit Dir alleine aushalten können. knö

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